Die keltischen Einwanderer
Die ersten Kelten kamen vermutlich um 600 vor Christus aus dem Norden Frankreichs nach Irland. Über die Herkunft und Größe der einwandernden Gruppen ist nicht viel bekannt, da die Kelten keine Schrift kannten und deshalb keine schriftlichen Zeugnisse hinterlassen haben. Alles, was man über sie weiß, ist aus archäologischen Funden hergeleitet.
Die Einwanderer waren in Stämmen organisiert und trafen in Irland auf eine Urbevölkerung, die dem Sonnenkult der vorgeschichtlichen Großsteingrab-Kultur (Megalithiker) anhing. Da auch den Kelten die Sonne als die höchste Gottheit galt, kam es schnell zu einer Vermischung beider Kulturen.
In den Mythen kommen aber auch Götter vor, die nur in Irland bekannt sind. Sie stammen wahrscheinlich aus den Kulten der Urbevölkerung und wurden später von den Kelten in ihre Mythen übernommen.
Die Gesellschaftsstruktur
Die keltische Gesellschaft war in Klans (Stämmen) organisiert. Jeder Klan bildete ein Tuath (Kleinkönigreich), von denen es im keltischen Irland etwa 150 gab. Der König (Ri) war aber lediglich der Repräsentant des Tuath und der Anführer in Kriegszeiten. Er war der Mittler zwischen den Drui (Druiden) und dem Rest des Volkes.
Die eigentliche Macht übte der Adel aus, zu dem Landbesitzer, Krieger, Druiden, Barden und bedeutende Handwerker gehörten. Einfache Handwerker und Bauern bildeten die Gruppe der Freien. Unter ihnen standen Sklaven und Leibeigene.
Im Falle größerer Bedrohungen konnten auch mehrere Tuatha zu erweiterten Königreichen zusammengefasst werden. An der Spitze dieser größeren Zusammenschlüsse standen sieben Provinzkönige (Ri Ruireg).
War das ganze Land bedroht, konnten sich auch alle Tuatha zusammenschließen. Der oberste Führer war dann der Hochkönig (Ard-Ri). Dieser war immer einer der Provinzkönige, die wie der Hochkönig nach Bedarf gewählt oder durch Rotation bestimmt wurden.
Die Druiden
Die in Friedenszeiten wichtigste gesellschaftliche Gruppe waren die Drui (Druiden). Sie waren die Mittler zwischen den Göttern und den Menschen und in ihren irdischen Funktionen Priester, Ratgeber und auch Richter.
Ihre Ausbildung konnte je nach Aufgabe bis zu 20 Jahre lang dauern. Sie gaben ihr Wissen grundsätzlich nur mündlich weiter.
Im Gegensatz zu anderen keltischen Volksstämmen entwickelten die Iren eine sehr einfache Form von Schrift (Ogahmschrift). Sie wurde aber nur von den Drui für Grabinschriften oder Flüche benutzt.
Drui waren grundsätzlich Männer. Eine Frau konnte zwar Priesterin werden, war aber nur als Wahrsagerin oder Seherin tätig. Es gibt keinen Hinweis auf Druidinnen, die etwa Opfer vollzogen hätten.
Die Drui waren die alleinigen Wahrer des Wissens und verantwortlich für Opfer, Zauber, Medizin, Recht, Weissagung, Hellsehen oder Stammbaumkunde. Sie unterlagen keinem Gesetz und waren auch über jeden körperlichen oder geistigen Makel erhaben.
In allen weltlichen Fragen, die den Tuath betrafen, sprachen sie noch vor dem König, dem sie gleichgestellt waren. Die Drui wussten auch als einzige um die Heilkraft und den magischen Einsatz diverser Pflanzen.
Es gab ein strenges Rechtssystem, das aber auf privaten Vereinbarungen basierte. Ein öffentliches Recht war unbekannt. Für alle Verfehlungen wurde im irdischen Leben im wahrsten Sinne des Wortes bezahlt. Jedes Unrecht oder Schaden (auch Mord) wurde finanziell geregelt.
Wer solchen Verpflichtungen nicht nachkam oder ein Druidenurteil nicht beachtete, verlor alle Rechte. Wer ihm half, musste dessen Schulden begleichen. Mit der Christianisierung entwickelte sich in Irland das "Senchus Mor", das keltisches Naturrecht und christlich-römisches Schriftrecht vereinte.
Die Familie
Männer und Frauen waren bei den irischen und englischen Kelten weitgehend gleichberechtigt. Frauen konnten nicht gegen ihren Willen verheiratet werden, hatten das Recht auf Eigentum (auch an Land) und auf Scheidung. Sie konnten sogar Königinnen werden, auch wenn dieses Amt überwiegend von Männern ausgeübt wurde.
Ehen beruhten auf einer Übereinkunft. Es gab auch Ehen auf Probe oder Jahresehen. Obwohl der Ehemann der Familie der Frau eine bestimmte Summe bezahlen musste, deren Höhe davon abhing war, wie oft die Frau bereits verheiratet war, blieb die Frau auch als Ehefrau eigenständig und wurde nicht das Eigentum ihres Mannes.
Männer hatten das Recht auf Nebenfrauen, mit denen sie meist in Form von Jahresehen lebten. Das minderte aber nicht die Rechte der Ehefrau. Die Nebenfrauen hatten sich ihr unterzuordnen.
War die Ehefrau mit dem Verhalten ihres Mannes nicht einverstanden, konnte sie die Scheidung verlangen. Dann behielt jeder Partner seinen ursprünglichen Besitz und der Zugewinn wurde geteilt.
Diese Gleichberechtigung der Geschlechter scheint aber eine Besonderheit der Kelten in Irland und England gewesen zu sein. Auf dem europäischen Festland waren die keltischen Stämme alle patriarchalisch organisiert. Man vermutet, dass die Kelten in Irland und England Elemente der früheren matriarchalischen Kultur der Ureinwohner übernommen haben.
Kinder konnten ihre Eltern immer nur direkt beerben. Starb ein Kind, erbten nicht dessen Kinder, sondern das Vermögen fiel an die Familie des Vaters zurück. Es war üblich, Kinder zu Adoptiveltern zu geben, auch wenn die leiblichen Eltern noch lebten.
In der Regel wurden diese Pflegeeltern in der Familie der Mutter gesucht. Nur in Ausnahmefällen, wenn das Kind zum Beispiel zum Drui erzogen werden sollte, wurde es auch außerhalb seiner Familie untergebracht.
Das religiöse Leben
Die Kelten glaubten, dass das irdische Leben nur ein kurzer Abschnitt des ewigen Lebens ist. Die Seele werde entweder wiedergeboren oder gehe in eine andere Welt (eine Art Paradies) ein. Christliche Vorstellungen wie Teufel, Hölle oder Sünde waren unbekannt.
Über den Opferkult der Kelten können heute keine verlässlichen Aussagen mehr gemacht werden. Zu sehr hat das christliche Irland die Zeugnisse aus "heidnischer Zeit" beseitigt.
Deshalb ist auch unklar, ob es in Irland Menschenopfer gab, wie sie den Kelten anderer Regionen von griechischen und römischen Autoren unterstellt wurden. Wenn überhaupt, gab es sie höchstens im Zusammenhang mit Angelegenheiten, die den König oder das Stammesgebiet betrafen.
Die normalen Opfer waren Tier- oder Pflanzenopfer. Stiere, Widder und Schweine waren dabei die gebräuchlichsten Tiere. Bei der Wahl eines neuen Königs wurde auch schon mal eine Stute geopfert, aus deren Fleisch ein Sud gekocht wurde, in dem der neue König badete. Anschließend aß er das Fleisch. Oder das Opfertier war ein Stier und mehrere Personen wurden nach Bad und Mahl von den Druiden in Trance versetzt, um den neuen König zu "erträumen".
Für Pflanzenopfer kamen Blüten, Zweige, Getränke und fertige Speisen in Frage. Abwandlungen solcher Opfer findet man in Irland zum Teil bis heute.
Die Eiche galt auch den irischen Kelten als der heiligste Baum und höchste Pflanze. Da es in Irland aber nicht so viele Eichen gibt, spielen auch Ebereschen und Haselnusssträucher eine wichtige Rolle. Zum Weissagen wurden immer Hölzer geworfen.
Die Feste der Kelten
Die gälischen Stämme kannten eine Reihe von Festen, die den Jahresablauf gliederten, zum Beispiel:
- Das Winteranfang-/Neujahrsfest Savin (Samain/Samhain) am 1. November. Dieses Fest war gleichzeitig ein wichtiger Gerichtstag, an dem Streitigkeiten beseitigt wurden. Es hat wahrscheinlich als Halloween die Zeit überdauert.
- Das Fest zum Frühlingsbeginn Imbolg (Imbolc) am 1. Februar. Hier zog eine Göttin (Brigh) ins Haus ein und reinigte es. Dieses Fest ist wie andere keltische Bräuche mit ins Christentum übernommen worden und hat sich als Fest der Heiligen Brigit bis heute erhalten. Sie gilt neben St.Patrick als eine der bedeutendsten Heiligen der irischen Kirche. Auch anderswo in Europa wird an diesem Tag bis heute die Walpurgisnacht gefeiert.
- Das Sommeranfangsfest B'eltan'e (Beltene/Beltaine) am 1. Mai war vor allem ein Fest der Druiden. Um das Vieh gegen Krankheiten zu schützen, wurde es zwischen zwei großen Feuern hindurchgetrieben. Wahrscheinlich war B'elten'e auch ein Fruchtbarkeitsfest und dem Feuergott Belenos gewidmet.
- Das Sommerwendfest Lughnasad (Lugnasad/Lynasad/Lùnasa) am 1. August war ein allgemeines Volksfest mit Spielen, Tanz, Jahr- und Viehmärkten, Wettrennen, Hochzeiten und Festessen unter dem Vorsitz des Königs. Es galt als Fest des Friedens und des Wohlstands.
(Erstveröffentlichung 2004. Letzte Aktualisierung 12.01.2023)