Ingolstadt 1523. Die Professoren der Universität sind entsetzt: Die 31-jährige Adlige Argula von Grumbach hat sie zu einem wissenschaftlichen Streitgespräch gefordert – auf Deutsch, denn Latein darf sie als Frau nicht lernen.
Sie will die Unschuld eines gefangenen Luther-Anhängers allein aus der Bibel beweisen, denn sie beruft sich auf Martin Luthers Grundsatz, dass nur die Bibel als Leitlinie des christlichen Lebens zählt. Und im Evangelium steht nichts davon, Andersgläubige zu verfolgen und zu töten.
Sie weiß, dass sie als Frau kaum ernst genommen werden wird: "Ich habe euch kein Frauengeschwätz geschrieben, sondern das Wort Gottes als ein Glied der christlichen Kirche", schreibt sie. Argula beruft sich auf Luthers Postulat vom Priestertum aller Getauften.
Demnach hat auch sie das Recht, die Bibel auszulegen. Die Professoren beschließen, das "verrückte Weib" einfach zu ignorieren. Ihre Texte aber werden gedruckt und gelesen und sie werden ein Bestseller – mit den Auflagen der Lutherschriften vergleichbar.
Argula von Grumbachs Streiten ist gefährlich: In Bayern sind Luthers Texte und die Auseinandersetzung mit der Reformation verboten. Ihr Ehemann Friedrich – ein strenggläubiger Katholik – verliert seine Position als herzoglicher Statthalter. Daraufhin veröffentlicht Argula von Grumbach nichts mehr.
Erst fast 70-jährig taucht sie noch einmal in den Chroniken der Stadt Passau auf. Sie ist dort Gräfin geworden und hat ihre Untertanen zum Abfall von der katholischen Kirche aufgefordert. Dafür wandert sie ins Gefängnis. Sie bleibt lebenslang eine streitbare Protestantin.
(Erstveröffentlichung 2017. Letzte Aktualisierung 31.03.2020)
Quelle: WDR