Fliegende Blätter
Ohne die Erfindung des Buchdrucks um 1450 durch Johannes Gutenberg hätte es keine Reformation gegeben, glauben viele Historiker.
Vor dieser Erfindung musste man jeden Text mühsam von Hand abschreiben. Mit der neuen Technik der Druckerpressen lief die Vervielfältigung viel schneller, und nun ließen sich auch Flugblätter in großer Stückzahl herstellen.
Die ersten Flugblätter gab es im späten Mittelalter. Sie wurden gegen Ende des 15. Jahrhunderts von fahrenden Händlern und Marktschreiern genutzt und bestanden aus großen Bildern und wenig Text, denn damals konnten nur sehr wenige Menschen lesen.
Meistens ging es darin um Berichte von Sensationen, Naturereignissen oder vermeintlichen Wundern, aber auch um religiöse Anweisungen. Kostenlos waren diese "fliegenden Blätter", wie man sie damals nannte, aber nicht. Sie wurden gegen Geld verkauft oder öffentlich vorgelesen.
Nachdem Martin Luther im Jahr 1517 seine 95 Thesen mit Kritik an der katholischen Kirche veröffentlicht hatte, stieg die Zahl der gedruckten Flugblätter rasant an. Die meisten Blätter wurden in Auflagen von 1000 bis 2000 Exemplaren hergestellt.
Damit wurde das Flugblatt zum ersten Massenkommunikationsmittel – und Martin Luther innerhalb kurzer Zeit zum meistgelesenen und umstrittensten Autor Europas. Seine Schriften beeinflussten das Denken der Menschen auf dem ganzen Kontinent.
Die Flugblätter der Reformation waren oft mit Bildern gestaltet, auf denen der Papst oder Mönche verspottet wurden. Oder es waren Porträts von Martin Luther darauf zu sehen. Diese fertigte meistens der berühmte Maler und Grafiker Lucas Cranach der Ältere an, der mit Luther eng befreundet war.
Die Flugschriften "Papstesel" und "Mönchskalb" (1523) verspotteten die Kirche
Werbung und Propaganda
In den folgenden Jahrhunderten wurden Flugschriften ein wichtiges Mittel, um Menschen zu informieren und auch zu beeinflussen. Während des Dreißigjährigen Krieges von 1618 bis 1648 enthielten sie Berichte über den Verlauf einzelner Schlachten. Alleine für das 17. Jahrhundert lassen sich mehr als 7.000 deutschsprachige politische Flugschriften und Flugblätter nachweisen.
Auch im Ersten Weltkrieg und im Zweiten Weltkrieg dienten Flugblätter der Kriegspropaganda. Oft warfen die Kriegsparteien über den Kampfgebieten von Flugzeugen aus Flugschriften ab, in denen die Gegenseite zum Aufgeben aufgerufen wurde.
Sowjetische Flugblätter aus dem Zweiten Weltkrieg
Bekannt wurden die Flugblätter der Widerstandsgruppe "Weiße Rose" aus den Jahren 1942/43. Die Mitglieder der "Weißen Rose" riefen darin zum Widerstand gegen den Nationalsozialismus auf und legten sie in der Universität München aus.
Heute werden Flugblätter meist zu Werbezwecken oder zur politischen Information genutzt, zum Beispiel auf Demonstrationen, vor Wahlen oder für Hinweise auf Veranstaltungen und Konzerte. Allerdings haben inzwischen die Sozialen Medien weitgehend die Funktion von Flugblättern übernommen.
(Erstveröffentlichung 2024. Letzte Aktualisierung 08.08.2024)
UNSERE QUELLEN
- Stiftung Luthergedenkstätten in Sachsen-Anhalt: "500 Jahre Reformation. Flugblätter und Flugschriften – Wegbereiter der Reformation“
- Landesarchiv Baden-Württemberg: "Flugblätter, Flugschriften"
- Daniel Bellingradt: "Ein Mann als Marke". In: Der Spiegel Geschichte: "Die Reformation. Aufstand gegen Kaiser und Papst". Spiegel-Verlag Hamburg, Band 6/2015, S. 70-77
Quelle: WDR