Massentourismus – Tod der Alpen?
Der Massentourismus in den Alpen führt zu ökologischen Auswirkungen auf den Lebensraum.
Gerade der Wintersport ist als Umweltsünder in Verruf. Skipisten verursachten noch in den 1960er- und 1970er-Jahren große Umweltprobleme, weil sie kostengünstig angelegt waren und die Vegetationsdecke im Sommer kaum gepflegt wurde. Heute sorgen zumindest einige Bergbahngesellschaften für eine aufwändige Pistenpflege.
Schwer wiegt auch die starke Zersiedlung in den Touristenorten: Parkplätze, Liftanlagen und Hotelketten benötigen viel Platz, große Flächen werden komplett zugebaut. Die Blechkolonnen der Anreisenden führen zu Lärmbelästigung und starker Luftverschmutzung.
In manchen Fremdenverkehrszentren herrschen teilweise Zustände wie in der Großstadt: Die Schadstoffbelastungen übertreffen in Stoßzeiten sogar die Werte in den Städten.
Wertewandel
Eine heikle Angelegenheit sind nach Auffassung vieler Alpenforscher die sozialen und kulturellen Probleme, die mit dem Tourismus verbunden sind. Oft wachsen in den Tourismusgemeinden die Unterschiede zwischen Arm und Reich. Nur wenige Einheimische können sich im Tourismusgeschäft behaupten, andere sinken auf das Niveau von Hilfskräften herab.
Ein kulturelles Problem ist der schnelle Wertewandel in den Gemeinden, die erst spät den Einstieg ins Tourismusgeschäft fanden. Die Einwohner – meist in traditionellen bäuerlichen Normen erzogen – sind überfordert, wenn sie mit der städtischen Freizeitgesellschaft konfrontiert werden.
Ohne Tourismus geht es auch nicht
Soll man also den Tourismus verhindern, um die Alpen zu retten? Das ist sicher nicht möglich. Und auch nicht sinnvoll. Immerhin stehen viele Leute durch den Fremdenverkehr in Lohn und Brot. Ungefähr für die Hälfte des Alpenraumes ist der Tourismus eine wichtige Existenzgrundlage – in vielen Gebieten sogar die wichtigste.
Für die Besucher haben die Alpen einen bedeutenden Erholungswert. Die Faszination der Bergwelt mit ihrer einmaligen Landschaft aus Almwiesen, Wäldern, Felsen und Gletschern ist ungebrochen. Und der Bedarf an Bewegung in der freien Natur steigt eher noch an.
Versuche eines sanften Tourismus
Einen Tourismus, mit dem wirklich alle zufrieden sind, gibt es vermutlich nicht. Aber es lohnt der Versuch, die verschiedenen Bedürfnisse in Einklang zu bringen, ohne dass die Natur zu stark leidet.
Ein derartiger Versuch wird häufig als "sanfter Tourismus" oder "Ökotourismus" bezeichnet. Gemeint ist, dass das Reisen ökologisch und sozial verträglich ist, dass negative Auswirkungen auf Mensch und Umwelt möglichst gering bleiben. Gleichzeitig soll das Einkommen der Bevölkerung gesichert werden, ohne dass ihnen die Identität geraubt wird.
Für die Urlauber kann das in der Praxis bedeuten, dass sie nicht mit dem PKW in den Urlaubsort fahren, sondern mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Besonders umweltschädliche "Funsportarten" wie Fahren mit Motorschlitten sind tabu. Andere Freizeitaktivitäten wie Bergsteigen oder Skifahren sollen die Umwelt so bewahren, wie sie vorgefunden wurde.
Ein bestimmtes Verhältnis zwischen Gästebetten und Einheimischen spielt ebenfalls eine Rolle. Zwei Gästebetten pro Einwohner sollten die Obergrenze sein, damit außerhalb der Saison die Orte nicht zu Geisterstädten verkommen.
Wichtig ist auch die Gastronomie. Restaurants, Hotels und Pensionen nutzen nach Möglichkeit die Produkte der örtlichen Landwirte, wie Fleisch aus eigener Schlachtung und Käse der umliegenden Sennereien.
Das Beispiel Bregenzerwald
"Bauernsterben" in den Alpen: Höfe geben auf, junge Leute ziehen in die Städte. Mit diesem Problem musste sich auch die österreichische Region Bregenzerwald ganz im Westen des Landes herumschlagen – wie so viele ländliche Gebiete.
Doch die Einwohner dieser Gegend setzten der Entwicklung ideenreich ein Ende und gründeten 1992 eine Initiative: "Natur und Leben Bregenzerwald". Das Ziel war, die Bereiche Tourismus, Landwirtschaft und Gewerbe besser miteinander zu verbinden.
Gastwirte und Hoteliers kaufen nun verstärkt bei heimischen Bauern. Die Landwirte garantieren im Gegenzug beste Qualität und werden ökologisch kontrolliert. Lokale Sennereien stellen fast alle gängigen Milchprodukte an Ort und Stelle her.
Auf "Käsewanderwegen" können Touristen die Dorfsennereien der "Käsestraße Bregenzerwald" erkunden. Viele Bauern verkaufen ihre Erzeugnisse direkt vom Hof und veranstalten Märkte.
Hotels und Gastronomiebetriebe beschäftigen qualifiziertes einheimisches Personal statt billiger Saisonkräfte. Für die Urlaubsgäste werden geführte Wanderungen veranstaltet, gleichzeitig können sie am kulturellen Leben des Ferienortes teilnehmen – von der Handarbeitsrunde bis zum Musikverein.
Die Initiative hat sich längst ausgezahlt. Die Bewohner haben es geschafft, die Lebensweise im Bregenzerwald zu erhalten und die ökologischen Produkte gut zu vermarkten. Wegen seines großen Erfolgs wurde das Programm "Natur und Leben Bregenzerwald" sogar 1997 preisgekrönt. Die Initiatoren gewannen dank ihres Tatendrangs den Wettbewerb für sozialverantwortlichen Tourismus "TO DO!".