Mehrere Marionetten sind in einer Vitrine aufgehängt

Figurentheater

Marionetten

Marionetten sind Puppen, die an Fäden hängen und damit bewegt werden können. Das Marionettenspiel ist einige Jahrtausende alt.

Von Johanna Rüschoff

Alte Traditionen

1881 erschien in Florenz in einer Wochenzeitschrift für Kinder eine Geschichte über die Abenteuer einer kleinen Holzpuppe. Ihr Name: Pinocchio. Heute ist Pinocchio die vielleicht berühmteste Marionette der Welt.

Pinocchio-Autor Carlo Collodi wurde 1826 in einem toskanischen Dorf geboren. Damals hatte die Herstellung von Marionetten in dieser Region Italiens bereits eine lange Tradition. Viele Familien stellten Holzpuppen her, unter anderem Abbilder von verstorbenen Familienmitgliedern. So machte Collodi eine Marionette zur Hauptfigur seiner Geschichte.

Auch in anderen Ländern kennt man seit Jahrtausenden das Marionettenspiel. Die ältesten Belege für Aufführungen mit Puppen an Fäden stammen aus dem antiken Griechenland und Rom. Auch im Islam wurden schon im frühen Mittelalter Marionettentheater aufgeführt.

Das Wort "Marionette" kommt aus dem Französischen und bedeutet "Mariechen". Eine herkömmliche Marionette hat acht bis neun Fäden, die in einem Spielkreuz enden, mit dem der Puppenspieler die Marionette führt. Die frühen Marionetten waren eher einfache Puppen mit nur wenigen Gelenken und Fäden.

Die Holzpuppe Pinocchio vor dunklem Hintergrund

Die Marionette Pinocchio will ihre Fäden loswerden und "ein richtiger Junge" sein

In Deutschland verbreitete sich das Marionettenspiel im 12. Jahrhundert. Die Stücke, die die damaligen Puppenspieler inszenierten, kamen oft aus der Theaterliteratur oder waren mündlich überlieferte Legenden und Geschichten. Um 1800 waren Marionetten dann praktisch überall in Deutschland bekannt und beliebt.

Der "Kasperlgraf" und seine Marionetten

Richtig populär wurde das Marionettentheater in Deutschland durch einen Mann mit dem Spitznamen "Kasperlgraf": Franz Graf von Pocci. Pocci wurde 1807 in München geboren und war sowohl Beamter als auch Künstler.

Er komponierte 600 Musikstücke und fertigte Tausende von Zeichnungen und Karikaturen an. Seinen Spitznamen verdankt er seinen rund 40 Kasperl-Komödien mit der Hauptfigur Kasperl Larifari.

Pocci war schon während seiner Kindheit mit den Künsten und auch dem Puppenspiel in Berührung gekommen. So zeigte er sich hilfsbereit, als ihn Josef Schmid im Jahre 1858 um Unterstützung bei der Gründung eines Theaters bat.

Schmid hatte gerade das komplette Inventar für ein Marionettentheater erworben, hatte aber weder eine Spielstätte noch eine Genehmigung. Der "Kasperlgraf" sprang ein: Er besorgte ein Theater, eine offizielle Erlaubnis und sogar das nötige Kleingeld, um den Spielbetrieb aufzunehmen. Das geschah noch im gleichen Jahr – mit durchschlagendem Erfolg.

Die Aufführungen des Marionettentheaters waren so gut besucht, dass schließlich die Stadt München dem Theater ein eigenes Gebäude baute. Dort spielt das "Münchner Marionettentheater" noch heute. Zum Beispiel kann man sich dort die Oper "Die Zauberflöte" von Wolfgang Amadeus Mozart ansehen, von Marionetten "gesungen" und einem hölzernen Mozart persönlich geleitet.

Eine hölzerne Mozart-Marionette.

Mozart als Marionette

Die Kunst des Puppenspiels

Im 19. Jahrhundert richtete sich das Marionettenspiel vor allem an Erwachsene. Heute scheinen Marionetten dagegen ein altmodisches Überbleibsel aus einer anderen Zeit zu sein, das höchstens Kinder fasziniert.

Doch das stimmt so nicht. Auch heute noch gibt es Vorstellungen für ein erwachsenes Publikum. In Lindau existiert zum Beispiel eine Marionettenoper, die Stücke wie "Die Fledermaus" oder "Carmen" zeigt. Auch die "Augsburger Puppenkiste" ist vielen Menschen ein Begriff und die Vorstellungen sind oft ausverkauft.

Die "Blues Brothers" als Marionetten

Die "Blues Brothers" als Marionetten

Zudem gibt es seit 1961 in der französischen Stadt Charleville-Mezière ein internationales Marionettenfestival, das sich sowohl an Kinder als auch an Erwachsene richtet. Alle drei Jahre reisen dann Puppenspieler aus der ganzen Welt an. Dort kann sich der Besucher des Festivals ein Bild von den vielfältigen Traditionen des Marionettenspiels machen, die sich von Land zu Land und von Region zu Region unterscheiden.

Die vietnamesische Wassermarionette schwimmt zum Beispiel auf dem Wasser, während die Spieler im Nassen sitzen, um sie zu bewegen. Diese Marionettengattung stammt aus den Gegenden Vietnams, wo die Felder zum Nassreisanbau unter Wasser liegen.

Andere Beispiele sind beinlose Marionetten aus Indien oder die traditionellen Puppen der belgischen Stadt Liège, deren Arme und Beine in ständiger, aber vollkommen zufälliger Bewegung sind.

Ein gutes Marionettenspiel ist harte Arbeit für den Spieler. Doch wenn er sein Handwerk beherrscht, dann erschafft er ganz besondere, zauberhafte Momente.

Hände mehrerer Marionettenspieler

Nur nicht verheddern!

(Erstveröffentlichung: 2007. Letzte Aktualisierung: 11.08.2020)

Quelle: WDR

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