Der runde Bergfried der Spandauer Zitadelle in Berlin heißt Juliusturm. Er stammt noch aus der Burg des 12. Jahrhunderts und diente unter anderem als Verlies – und nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 zur Aufbewahrung von 120 Millionen Goldfrancs aus den französischen Kriegsentschädigungen, die in Kisten hier deponiert wurden.
Wenn also ein Finanzminister statt der üblichen Schulden Guthaben anhäuft, spricht man manchmal vom Juliusturm. Letztmalig gelang die Bildung so nennenswerter Reserven Fritz Schäffer, dem ersten Finanzminister der Bundesrepublik im Kabinett Adenauer in den 1950er-Jahren.
Vor allem der Konjunkturauftrieb 1955/56 führte dazu, dass die Bundesrepublik Kassenüberschüsse zu verzeichnen hatte. Gleichzeitig wurden nicht alle geplanten Haushaltsposten in Anspruch genommen. So fielen zum Beispiel die Kosten für die Verteidigung in den ersten Jahren der Bundeswehr niedriger aus als geplant.
Die nicht verwendeten Gelder legte der damalige Finanzminister auf die hohe Kante, so sparte er bis 1957 fast acht Milliarden D-Mark. Damals sprach man von einem neuen Juliusturm. Diese Politik kam einer "Stilllegung" öffentliches Kapitals gleich, die Wirtschaftsexperten waren sich darüber uneinig, welchen Einfluss das auf die Konjunktur haben würde.
Das gehortete Geld allerdings weckte die Begehrlichkeiten der Fachministerien, die das Geld für ihre Zwecke nutzen wollten. So wurden zum Teil die staatlichen Ausgaben für die Rentenreform von 1957 über den Juliusturm finanziert und Subventionen für die Landwirtschaft beschlossen. Auf lange Sicht überschritten diese Maßnahmen die Spareinlagen des Juliusturms und führten zu Haushaltsdefiziten.
(Erstveröffentlichung 2004. Letzte Aktualisierung 12.09.2019)