Psychotherapie

Sigmund Freud – Begründer der Psychoanalyse

Sigmund Freud gilt als der Vater der Psychoanalyse. In seiner Schrift "Das Ich und das Es" von 1923 entwickelte er sein berühmtes Modell, wonach die menschliche Psyche aus dem Es, dem Ich und dem Über-Ich besteht.

Von Claudia Heidenfelder

Die Technik der "freien Assoziation"

Sigismund Schlomo Freud, später Sigmund Freud genannt, wird 1856 in Freiberg in Mähren geboren, dem heutigen Přibor in Tschechien. Sein Vater Jacob ist ein jüdischer Stoffhändler und hat bereits zwei Kinder aus erster Ehe, Sigismunds Mutter Amalia ist seine dritte Frau.

Als der Textilbetrieb des Vaters durch eine Wirtschaftskrise ruiniert wird, zieht die Familie 1860 nach Wien. Dort geht Sigismund aufs Gymnasium, studiert Medizin und habilitiert im Fach Neuropathologie.

Durch ein Stipendium kann Freud ein Gastsemester bei dem berühmten Pariser Psychiater Jean-Martin Charcot verbringen. Dieser setzt sich mit der damaligen Modekrankheit Hysterie auseinander, bei der Frauen schreien und toben, und will sie mit Hypnose heilen.

Zurück in Wien heiratet Freud Martha Bernays, Tochter einer jüdischen Familie aus Hamburg, und eröffnet eine neurologische Praxis. Gemeinsam mit dem Arzt Joseph Breuer stellt er 1895 in den "Studien über die Hysterie" den Fall der Anna O. vor.

Der Fall veranlasst Freud, bei der Behandlung von Hysterie immer mehr auf Hypnose zu verzichten und stattdessen die Technik der "freien Assoziation" anzuwenden.

Hysterie – eine typische weibliche Krankheit? Planet Wissen 30.01.2024 03:01 Min. UT Verfügbar bis 12.03.2025 WDR

Bei dieser Methode soll der Patient seinen Gedanken zu verschiedenen Themen freien Lauf lassen. Denn Freud glaubt, nur so an das Unbewusste zu gelangen. Im selben Jahr wird Freuds sechstes Kind Anna Freud geboren, die später seine wissenschaftliche Mitarbeiterin und Nachfolgerin wird.

Im Jahr 1900 erscheint "Die Traumdeutung", Freuds erste große Darstellung der Psychoanalyse: Der Antrieb menschlichen Verhaltens entspringe unterbewussten sexuellen Fantasien, denen gesellschaftliche Normen gegenüberstehen, so Freuds Theorie. Träume seien verschlüsselte Hinweise auf den Konflikt zwischen menschlichen Wünschen und Verboten.

Zwei Jahre nach dieser Veröffentlichung wird Freud Professor und gründet die psychologische Mittwochs-Gesellschaft. Diese Gruppe trifft sich wöchentlich in Freuds Wartezimmer und diskutiert über seine Lehre.

Das Es, das Ich und das Über-Ich

1909 folgt Freud einer Einladung an die Clark University in den USA, um dort Vorträge zu halten. Freuds Psychoanalyse findet vermehrt Beachtung und er versucht, Abweichungen von ihr zu verhindern. Dadurch kommt es zum Bruch mit einigen seiner Schüler, darunter Alfred Adler und Carl Gustav Jung.

1923 veröffentlicht Sigmund Freud seine Schrift "Das Ich und das Es". Das dort beschriebene, berühmt gewordene Modell geht davon aus, dass die menschliche Psyche aus dem Es, dem Ich und dem Über-Ich besteht.

Das Es steht für das Unbewusste, das heißt für Triebe, Bedürfnisse und Affekte. Wird ein Mensch geboren, besteht er zunächst nur aus dem Es: Einem Baby geht es ausschließlich darum, seine angeborenen Triebe durchzusetzen, zum Beispiel Nahrung aufzunehmen und berührt zu werden.

Das Ich entspricht dem bewussten eigenen Denken und vermittelt einem Menschen das Bild, das er von sich selbst hat. Das Ich handelt nach dem Realitätsprinzip statt nach dem Lustprinzip des Es'.

Das Über-Ich dagegen ist nach Freud die psychische Struktur, in der soziale Normen und Werte verankert sind, also alles, was durch Erziehung und von außen an den Menschen herangetragen wurde.

Flucht vor den Nazis

Schon zu Beginn der nationalsozialistischen Herrschaft werden in Deutschland 1933 Freuds Schriften öffentlich verbrannt. Als am 12. Mai 1938 deutsche Truppen in Österreich einmarschieren, flieht Freud.

Mit Hilfe von Freunden gelangt er über Paris nach London, wo er begeistert aufgenommen wird. Dort kann Freud weiter praktizieren, soweit es sein Gesundheitszustand zulässt.

In London wird Freud begeistert aufgenommen | Bildquelle: dpa Picture-Alliance/Imagno

Denn bereits 1922 war Freud – wahrscheinlich wegen seines starken Rauchens – an Gaumenkrebs erkrankt und im Laufe der Jahre mehrmals operiert worden. In der Nacht zum 23. September 1939 stirbt Freud im Alter von 83 Jahren an den Folgen seines Krebsleidens.

Freuds Tochter Anna lebt und arbeitet bis zu ihrem Tod 1982 in seinem Domizil weiter. Das Haus in London mit der berühmten Analyse-Couch ist wie die Wohnung und die Praxisräume in Wien heute als Freud-Museum eingerichtet.

Anna Freud, Psychoanalytikerin (Geburtstag 3.12.1895) WDR ZeitZeichen 03.12.2020 14:56 Min. Verfügbar bis 04.12.2090 WDR 5

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