Nationalsozialismus
Die SS
Im Nationalsozialismus verbreitete die so genannte "Schutzstaffel" (kurz: SS) Angst und Schrecken. Gegründet 1923 als Leibgarde Adolf Hitlers, stieg die SS unter Heinrich Himmler zur mächtigsten Organisation im nationalsozialistischen Regime auf.
Von Christiane Tovar
Von Hitlers Leibgarde zur Parteipolizei
Die SS war für die Geheimdienste verantwortlich und kommandierte die Polizei. Zu den Gräueltaten der SS, die sich selbst als Elitetruppe sah, gehörten unter anderem die Ermordung von Millionen Menschen in den Konzentrationslagern und zahlreiche Kriegsverbrechen.
Als Keimzelle der SS gilt die sogenannte Stabswache. Doch die Truppe, die Adolf Hitler treu ergeben war, existierte aufgrund interner Machtkämpfe nur wenige Wochen lang. Hitler nahm das zum Anlass, eine neue Organisation zu bilden, den "Stoßtrupp Adolf Hitler", aus dem später die SS hervorging.
Ganze 22 Mann gehörten zu dieser Gruppe, die Adolf Hitler bei seinen Kundgebungen schützen sollte, auf denen er für die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei (NSDAP) warb. Nachdem Hitler erfolglos versucht hatte, seine Partei an die Macht zu putschen, wurde die NSDAP zunächst verboten.
Nach der Wiedergründung der Partei im Februar 1925 veranlasste Hitler die Bildung der SS. Sie sollte zunächst die Parteiprominenz und die Versammlungen schützen und neue Mitglieder für die NSDAP werben.
1925 trat die SS zum ersten Mal öffentlich in Erscheinung. Im selben Jahr wurden die Ortsgruppen der Partei dazu aufgefordert, eigene Schutzstaffeln zu organisieren. Zu dieser Zeit gehörten der SS rund 1000 Mitglieder an. Das änderte sich mit Heinrich Himmler, der sie zur größten paramilitärischen Organisation im Nationalsozialismus machen sollte.
Immer auf der Suche nach neuen Mitgliedern
Die SS unter Himmler
Der gelernte Landwirt Himmler hatte sich bei Hitler vor allem durch seine Loyalität beliebt gemacht. Er war Mitte der 1920er-Jahre der NSDAP beigetreten und kurz darauf zum stellvertretenden Reichspropagandaleiter der Partei aufgestiegen. Wenig später wurde er stellvertretender Reichsführer der SS, 1929 rückte er an die Spitze auf.
Zu diesem Zeitpunkt war die SS noch der Sturmabteilung (SA) unterstellt. Politisch galt Himmlers Amt als unbedeutend. Doch das änderte sich schnell. Himmler baute die Organisation rasch aus: 1933 hatte die SS bereits mehr als 200.000 Mitglieder.
Heinrich Himmler wollte aus der Schutzstaffel die Elitetruppe des Dritten Reichs machen. Getreu der SS-Losung "Deine Ehre heißt Treue" war die absolute Loyalität zu Hitler oberstes Gebot.
Außerdem sollten die SS-Männer – Himmlers Vorstellungen entsprechend – die "nordische Rasse" verkörpern. SS-Mitglieder mussten mindestens einen Meter siebzig groß sein und durften keine jüdischen Vorfahren haben. Wer dazugehören wollte, musste zudem mehrere Prüfungen ablegen, darunter auch das Reichssportabzeichen.
Himmler (links): vom Landwirt zum SS-Reichsführer
Eine weitere Besonderheit war der Heiratsbefehl. Nur wer sich bereit erklärte, "einzig und allein nach rassischen und erbgesundheitlichen Gesichtspunkten" zu heiraten, wurde aufgenommen. Um das Zugehörigkeitsgefühl zu stärken, bekam jedes neue Mitglied den sogenannten SS-Dolch. SS-Männer, die sich bewährt hatten, wurden mit dem Totenkopfring belohnt.
Hinzu kam ein verklärender Germanenkult, den Himmler sich willkürlich zurecht gelegt hatte. So wurden in der SS Sonnenwendfeiern und Julfeste gefeiert. Alle diese Symbole und Rituale trugen dazu bei, dass sich die Mitglieder der Schutzstaffel tatsächlich als eine Art Elite fühlten und Adolf Hitler treu ergeben waren.
Die Struktur der SS
In den 1930er-Jahren wurde die SS zunächst als Parteipolizei eingesetzt. Sie sollte gegnerische Organisationen überwachen und die innerparteiliche Opposition kontrollieren. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 wurden 120 Männer für die "Leibstandarte Adolf Hitler" ausgewählt. Sie sollten ausschließlich für die Bewachung Adolf Hitlers zuständig sein und nur ihm unterstehen.
Parallel dazu bildeten sich die "Politischen Bereitschaften", eine Art Hilfspolizei, die unter anderem für den Schutz der SS-Führungsriege zuständig war.
1931 initiierte Himmler das "SS-Rasse- und Siedlungsamt". Es wurde später zum "SS-Rasse- und Siedlungshauptamt" (RuSHA) umgebaut und war eines von insgesamt zwölf SS-Hauptämtern. Das RuSHA stellte unter anderem die Heiratsgenehmigungen für die SS-Mitglieder aus. Auch der Verein "Lebensborn", der die Geburtenrate "rassisch erwünschter" Kinder fördern sollte, war bei diesem Amt angesiedelt.
Von 1931 an baute der ehemalige Marineoffizier Reinhard Heydrich den späteren Sicherheitsdienst auf. Zu seinen Aufgaben gehörte unter anderem die Beobachtung von politischen Gegnern. 1934 stellte Himmler nach Absprache mit Hitler die sogenannte SS-Verfügungstruppe zusammen, eine ständig bewaffnete und kasernierte Truppe.
Eine weitere Einheit bildeten die SS-Totenkopfverbände, sie bewachten die Konzentrationslager. Aus diesen Truppen und der Leibstandarte Adolf Hitler ging später die Waffen-SS hervor. Außerdem gab es die Allgemeine SS, die unbewaffnet war.
Auch die Konzentrationslager waren unter Kontrolle der SS
Der "Röhm-Putsch"
Ein wichtiges Ereignis für die Vormachtstellung der SS war der Röhm-Putsch. Hitler sah seine Macht gefährdet durch Ernst Röhm, der die Sturmabteilung (SA) führte und als zweitmächtigster Mann im Regime galt. Die SA war als paramilitärische Kampfgruppe der NSDAP gegründet worden.
In der Weimarer Republik hatten Mitglieder der SA die Veranstaltungen der NSDAP geschützt und der Partei zum Aufstieg verholfen. Mit Gründung der SS wurden die beiden Organisationen zu Konkurrenten. Um Röhm loszuwerden, unterstellte Hitler ihm zu Unrecht einen Putschplan und ließ ihn am 30. Juni 1934 verhaften. Am 1. Juli wurde Röhm in seiner Gefängniszelle erschossen.
An der Ermordung war auch Theodor Eicke beteiligt, der kurz darauf zum "Inspekteur der Konzentrationslager" befördert wurde. In diesen Tagen wurden außerdem zahlreiche SA-Führer, aber auch unliebsame NSDAP-Mitglieder, von SS-Mitgliedern ermordet.
Nach dem "Röhm-Putsch" erholte sich die SA nicht wieder, und der Pakt zwischen Hitler und der SS war besiegelt. Er ernannte die Schutzstaffel, die bis dahin der SA unterstanden hatte, zu einer selbstständigen Organisation der NSDAP.
1936 bekam Heinrich Himmler weitere Befugnisse und wurde Chef der gesamten deutschen Polizei. Zeitgleich gründete er das Reichssicherheitshauptamt, in dem die Geheime Staatspolizei (Gestapo), die Kriminalpolizei und der Sicherheitsdienst der SS zusammengefasst waren.
Ernst Röhm wurde von SS-Männern erschossen
Die Waffen-SS
Der militärische Teil der SS, die sogenannte Waffen-SS, gründete sich im Dezember 1939. Beim Überfall auf Polen fielen zahlreiche SS-Männer, auch weil viele von ihnen sehr jung waren und ihnen die Erfahrung fehlte. Im Laufe des Krieges wurden die SS-Männer wegen ihres brutalen Vorgehens von der Wehrmacht kritisiert.
So wurde ihnen unter anderem vorgeworfen, wehrlose polnische Soldaten erschossen zu haben. Auch Massenerschießungen und andere Gräueltaten sind dokumentiert. Hitler reagierte auf die Vorwürfe mit der Ausgliederung der Waffen-SS aus der allgemeinen Militärjustiz in eine SS-eigene Militärjustiz.
Die SS galt insgesamt als grausam. Zudem gab es eine inoffizielle Hierarchie innerhalb der SS, in der die Mitglieder der Totenkopfverbände, die unter anderem die Konzentrationslager bewachten, bei den Mitgliedern anderer SS-Einheiten einen sehr schlechten Ruf hatten, weil sie als besonders menschenverachtend galten.
Schon kurz nach Beginn des Krieges meldeten sich immer weniger deutsche Freiwillige. Daraufhin wurden auch Norweger, Finnen oder Niederländer aufgenommen. Später wurden auch verurteilte Verbrecher aus den Konzentrationslagern zwangsrekrutiert und ausländische Soldaten, zum Beispiel Kroaten, Ukrainer und Balten. Insgesamt starben bis Kriegsende rund 300.000 Soldaten der Waffen-SS.
Auch die Jüngsten gingen zur SS
Das Ende
1946 erklärte das Internationale Militärgericht in Nürnberg die SS mit Ausnahme der Reiter-SS zur verbrecherischen Organisation. Einige führende SS-Mitglieder wurden zum Tode verurteilt.
Heinrich Himmler konnte nicht mehr vor ein Gericht gestellt werden. Er hatte nach dem Krieg versucht zu fliehen und war dabei unerkannt in britische Gefangenschaft geraten. Nachdem er entdeckt worden war, tötete er sich selbst – mit Hilfe einer Giftkapsel, die er in seinem Mund versteckt gehalten hatte.
(Erstveröffentlichung: 2009. Letzte Aktualisierung: 07.10.2020)
Quelle: WDR