Verbündet mit Italien und Japan
Im Jahr 1989 schrieb der Hamburger Autor Ralph Giordano ein Buch, das sich mit den Szenarien für die Weltordnung nach einem Sieg der Nationalsozialisten beschäftigt. Der Titel: "Wenn Hitler den Krieg gewonnen hätte".
Giordano stützte sein Werk auf zahlreiche wissenschaftliche Erkenntnisse sowie auf Dokumente und Aussagen aus dem Nürnberger Prozess gegen die Hauptkriegsverbrecher. So konnte er ein umfassendes Bild der Weltordnung nach einem deutschen Sieg zeichnen.
Mithilfe von Italien und Japan sollte zuerst Europa unterworfen werden, danach die ganze Welt. In einem "großgermanischen Weltreich" sollte das "deutsche Herrenvolk" den Rest des Planeten beherrschen.
Pläne für Europa
Hitler und seine Vertrauten hatten sich vorgestellt, dass Deutschland mit der Unterstützung von Italien und Japan den Zweiten Weltkrieg gewinnen sollte und anschließend eine Friedenskonferenz ins Leben rufen.
Das erste Kernstück der Nazi-Pläne: die Unterwerfung Europas. Länder wie Schweden, Dänemark, Belgien, Luxemburg und die Niederlande sollten ganz oder zumindest teilweise in das Deutsche Reich eingegliedert werden.
Frankreich und die Länder auf dem Balkan sollten offenbar "im Zustand ständiger Unterwerfung" bleiben. Selbst Pläne für einen Überfall auf die neutrale Schweiz lagen schon bereit.
Zu Großbritannien hatte Hitler ein gespaltenes Verhältnis: Einerseits hielt er es für das "arischste Volk" der Welt nach dem deutschen, andererseits war er der Ansicht, dass es von "jüdischen Dreckschweinen" regiert werde. Für Großbritannien hatte Hitler eine unterstützende oder zumindest neutrale Rolle beim Weg Deutschlands zur Weltherrschaft vorgesehen. Allerdings sah Großbritannien Hitler als Gefahr für seine eigenen Interessen an. Nach dem Überfall von Nazi-Deutschland auf Polen erklärten die Briten 1939 Deutschland den Krieg.
Das bedeutendste Element der Nazi-Vorstellungen für die Neugestaltung Europas und der Welt war jedoch die Besetzung der Sowjetunion und die Vernichtung von etwa 30 Millionen Slawen. Bis zum Ural wollte Hitler das Land erobern, um neuen Lebensraum zu schaffen.
Lebensraum bis zum Ural
In Teilen der Sowjetunion sollten Städte erbaut werden, in denen Deutsche und den Nazis genehme Menschen anderer Nationalitäten – wie Dänen, Schweden, Norweger und Niederländer – leben sollten.
Hinter einem Ring von 30 bis 40 Kilometern mit schönen Dörfern sollten die Russen leben – und sie sollten versklavt werden, den Deutschen als Personal und Hilfsarbeiter dienen. Wie viele andere osteuropäische Städte wollte Hitler auch Moskau verwüsten und darüber einen riesigen Stausee anlegen lassen.
Außerdem sahen Hitler und seine Führungsriege vor, dass der Vatikan besetzt und der Papst entführt werden sollte. In allen besetzten Ländern wollten die Nazis Gegenpäpste installieren.
Nach ihrer Vorstellung würden sich dann die einzelnen Katholikengruppen gegeneinander positionieren, der Einfluss der katholischen Kirche und damit des Christentums insgesamt würde schwinden.
Danach wollten die Nazis eine eigene Lehre einführen, die auf einer Mischung aus germanischer Wotansverehrung und indisch-persischen Glaubenssätzen basierte.
Pläne für die Welt
Hitler und seine Anhänger träumten von einem "großgermanischen Weltreich". In diesem sollte nicht nur Europa, sondern auch der Rest der Welt den Deutschen untertan sein. Nach der Besetzung großer Teile Europas sollte der gesamte afrikanische Kontinent kolonisiert und bedeutende Teile Asiens unterworfen werden, um das britische Empire zu schwächen.
Wenn dies geschehen war, sollte es zum "Endkampf der verbliebenen zwei stärksten Weltmächte" kommen, also zum Kampf zwischen Deutschland und den USA. Um die USA dem "großgermanischen Weltreich" unterwerfen zu können, sollten Bombengeschwader erschaffen werden, die ohne aufzutanken den Atlantik überqueren und wieder zurückkehren konnten.
Wenn der Kampf um die Weltherrschaft gewonnen worden wäre, sollten die USA nach den Vorstellungen der Nazis neu geordnet werden. Die Pläne Hitlers sahen vor, dass sich die Gruppe der deutschstämmigen Amerikaner rasant vergrößern sollte, sodass aus den USA nach und nach ein Land mit deutscher Bevölkerung werden würde.
Nazi-Ideen auch für die USA
Auch der Hitler-Vertraute Alfred Rosenberg hatte sich Gedanken zu den USA gemacht, vor allem zum "Rassenproblem": Schwarze und Juden wollte er angeblich nach Madagaskar umsiedeln.
Allerdings sagte er dies aus, als er während des Nürnberger Prozesses im Gefängnis saß und möglicherweise auf eine mildere Strafe hoffte. Wahrscheinlicher ist wohl, dass die Nazis die Vernichtung der Juden auch dort fortführen wollten.
Pläne für Deutschland
Deutschland sollte erblühen: Es sollte nach dem Krieg Prämien für die am schönsten wieder aufgebauten Städte und Dörfer geben. Autobahnen sollten nicht nur Deutschland, sondern das gesamte "germanische Reich" durchdringen. Auch träumte Hitler von einer "Über-Bahn", die die einzelnen Großstädte verbinden sollte und für die die Nazi-Architekten teilweise bereits die Entwürfe angefertigt hatten.
Berlin sollte acht Millionen Menschen Platz bieten und in "Germania" umbenannt werden. Diese Metropole sollte die Hauptstadt des "germanischen Weltreichs" werden. Auch in München sollten riesige Prachtstraßen, Triumphbögen und Prunkbauten entstehen, am Ufer des Chiemsees gar eine Partei-Universität. Das Baugelände hatten die Nazis bereits ausgewählt.
Für die Bevölkerung im "germanischen Reich" sollten strenge Regeln gelten: Die Lebensführung des Einzelnen hätte der Staat von Kindesbeinen an diktiert, von der Hitlerjugend bis zum Nazi-Seniorenwohnheim hätte die Partei starken Einfluss auf die Gesellschaft genommen. Gesteuert werden sollte das Reich durch eine Elite, die für jegliche Aufgaben innerhalb der Führungsriege eingesetzt werden konnte.
Staatliche Einmischung von Kindesbeinen an
Diese "Herrenmenschen" wollten Hitler und sein Vertrauter Heinrich Himmler mithilfe von SS-Männern "züchten". Sie sollten sogar das Recht bekommen, Doppelehen einzugehen, um möglichst viele weitere blonde, blauäugige Nachkommen zu zeugen. Kinderlos gebliebene Ehen hingegen sollten nach fünf Jahren aufgelöst werden.
Persönliche Vorhaben der NS-Führung
Hitler wollte sich nach der Neuordnung der Welt zur Ruhe setzen. Laut historischer Dokumente hatte er sich dafür den Obersalzberg im Berchtesgadener Land ausgesucht und wollte von dort aus seinen Nachfolger kritisch überwachen.
Giordano zitiert eine andere Quelle, laut der sich Hitler in Linz niederlassen wollte. Derjenige, der in seine Fußstapfen treten sollte, musste auf jeden Fall jünger sein als Hitler. Damit kamen seine Vertrauten wie Himmler oder Goebbels nicht in Frage, da sie in seinem Alter waren.
Die Wewelsburg bei Paderborn
Himmler hatte für sich selbst ebenfalls sehr konkrete Pläne: Er ließ die Wewelsburg in der Nähe von Paderborn umbauen, die als Stammburg der geplanten Ordensburgen im "germanischen Weltreich" vorgesehen war.
In den Ordensburgen sollte das Führungspersonal der Nazis ausgebildet werden. Auf dieser Burg wollte Himmler nach dem Krieg leben. Aber auch aus diesen Plänen wurde nichts: 1945 ließ Himmler das geplante Zentrum des "germanischen Weltreichs" teilweise zerstören und nahm sich selbst kurz darauf das Leben.
(Erstveröffentlichung: 2013. Letzte Aktualisierung: 07.10.2020)
Quelle: WDR