Ein Mann in Lederhose und Trachtenhut hält bei der Steubenparade in New York eine deutsche und eine US-Flagge

Auswanderer

Deutsche in Amerika

Ob Heinz-Ketchup oder Kraft-Käsemakkaroni – manche Namen erinnern in den USA noch heute an die über sieben Millionen Deutschen, die seit dem 17. Jahrhundert nach Amerika eingewandert sind. Geschätzte 60 Millionen US-Bürger haben deutsche Vorfahren.

Von Sine Maier-Bode

Germantown in Pennsylvania

Mitte des 17. Jahrhunderts hatten sich in Europa verschiedene protestantische Religionsbewegungen gegründet, die sich gegen die Sitten der Kirche richteten und ein Leben ohne Ausschweifungen führen wollten. Da sie den Herrschenden ein Dorn im Auge waren, wurde ihnen das Leben schwer gemacht.

Die Erzählungen von den neuen Kolonien jenseits des Atlantiks machten sie besonders hellhörig. So auch bei 13 Mennoniten-Familien aus Krefeld. Auf Betreiben des Pietisten Francis Daniel Pastorius machten sie sich auf den Weg in die "Neue Welt". Im Staat Pennsylvania gründeten sie die erste deutsche Siedlung in Amerika: Germantown, heute ein Stadtteil von Philadelphia.

Franz Daniel Pastorius, dt. Auswanderer (Todestag 27.09.1719)

WDR ZeitZeichen 27.09.2019 14:25 Min. Verfügbar bis 24.09.2099 WDR 5


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Sie blieben nicht die einzigen deutschen Einwanderer. Glaubensflüchtlinge wie die Amischen fanden ebenfalls in Pennsylvania ihre Heimat. Bis heute sprechen die Amischen in den USA ein pennsylvanisches Deutsch, und alle stammen sie von den amischen Einwanderern ab, die im 18. Jahrhundert nach Amerika kamen.

Die Armut in Deutschland trieb aber nicht nur Glaubensflüchtlinge in das "Gelobte Land" jenseits des Atlantiks, sondern auch verarmte Bauern wie die Familie Pressler, die sich später den Namen Presley geben sollte und den wohl berühmtesten Rock'n'Roll-Sänger aller Zeiten hervorbrachte – Elvis Presley.

Die größte Einwandererwelle der Deutschen kam aber erst mehr als 200 Jahre nach der Gründung Germantowns.

Levi Strauss: Vom Wirtschaftsflüchtling zum Millionär

Mitte des 19. Jahrhunderts wächst die Bevölkerung in Deutschland rasant, ohne dass es genügend Arbeit gibt. Noch hat die Industrialisierung nicht Fuß gefasst und viele verlassen das Land, um sich vor der Armut zu Hause zu retten.

Zwischen 1846 und 1893 zieht es jährlich 100.000, zum Teil bis zu 200.000, Menschen aus Deutschland nach Amerika. Einer von ihnen ist der junge Löb (Levi) Strauss. Als deutscher Jude hat er im damaligen Deutschland nur wenig Möglichkeiten, zu arbeiten und Geld zu verdienen. Also schifft er sich im Alter von 18 Jahren Richtung New York ein. Hier findet er bei Verwandten eine Arbeitsstelle und lernt das Textilgeschäft kennen.

Als er sich selbstständig machen will, wagt er es dort, wo zu dieser Zeit Gold und Reichtum locken – in Kalifornien. Für einen Textilhändler gibt es dort genug zu tun, denn die Goldsucher benötigen Decken, Stoffe und Kleidung. Sein Geschäft läuft schon bald sehr gut. Einen Namen macht er sich allerdings erst 1873, als er gemeinsam mit einem Schneider die "501 jeans" patentieren lässt. Die strapazierfeste Hose aus Denim wird mit Nieten zusammengehalten, damit sie auch bei schweren Arbeiten nicht reißt. Die Jeans ist geboren.

Porträt von Levi Strauss um 1880 mit weißem Spitzbart.

Levi Strauss, der Erfinder der Jeans

Carl Schurz: Vom Revolutionär zum Innenminister

Fast zur selben Zeit trifft in Philadelphia ein junger Mann ein, der Deutschland aus politischen Gründen verlassen musste. Carl Schurz aus Liblar wird in Deutschland verfolgt, da er aktiv in die Revolutionsunruhen von 1848 verwickelt war. Amerika bietet ihm wie vielen Einwanderern die Chance auf ein Leben in Freiheit und Gleichberechtigung.

Von Anfang an engagiert er sich in Bürgerrechtsbewegungen und in der neuen Republikanischen Partei, die sich gegen die Sklaverei ausspricht. Einen wichtigen Umschwung nimmt sein Leben, als er Abraham Lincoln kennenlernt. Die beiden verstehen sich schnell und Schurz zieht durch die Lande, um die deutschstämmigen Wähler für Lincoln zu gewinnen.

Als Lincoln 1860 tatsächlich Präsident wird, beginnt die politische Karriere des Deutschen. Zunächst wird er Botschafter in Spanien, später General im Amerikanischen Bürgerkrieg. Auch nach Lincolns Tod geht seine Laufbahn weiter. Er wird der erste deutsche Innenminister in den USA und kümmert sich in dieser Funktion um den Aufbau der ersten Nationalparks und Indianerreservate.

Auch seine Frau Margarethe hinterlässt einen bleibenden Eindruck. Die junge Pädagogin eröffnet schon in den 1850er-Jahren den ersten Kindergarten Amerikas.

Carl Schurz, deutsch-amerikanischer Staatsmann (Todestag 14.05.1906)

WDR ZeitZeichen 14.05.2011 14:26 Min. Verfügbar bis 11.05.2051 WDR 5


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"Little Germany" in New York

Auch in der Ostküsten-Metropole New York lassen sich viele deutsche Auswanderer nieder. Mitte des 19. Jahrhunderts gibt es in New York vier deutsche Zeitungen. Die 1834 gegründete "New-Yorker Staats-Zeitung" nennt sich gar die größte deutsche Zeitung der Welt.

Titelbild der New-Yorker Staats-Zeitung vom 12. November 1913.

Die größte deutschsprachige Zeitung für New Yorker

Um die Jahrhundertwende leben hier 800.000 Deutschstämmige der ersten und zweiten Generation. Damit ist New York hinter Berlin die zweitgrößte Stadt mit deutscher Bevölkerung. Ein Großteil von ihnen wohnt im Stadtteil "Little Germany" an der Lower East Side.

Etwa 30 Prozent der Bevölkerung sind hier deutscher Herkunft. Man spricht im Alltag Deutsch, an der Schule wird Deutsch gelehrt, und es gibt für die Zugewanderten keine Probleme, sich mit deutschem Bier, Sauerkraut oder Würstchen einzudecken. Es gibt deutsche Vereine, Buchhandlungen, Theater und Kirchen.

Dennoch bleibt "Little Germany" für viele nur eine Durchgangsstation, denn das Leben an der Lower East Side ist auch von großer Armut geprägt. Zu den wenigen Vergnügen, die sich die meisten Bewohner leisten können, gehören die von der Kirche organisierten Ausflüge.

Als im Sommer 1904 eine lutherische Kirchengemeinde zu einer Schifffahrt mit anschließendem Picknick einlädt, nehmen zahlreiche deutsche Familien mit ihren Kindern daran teil. Doch das Schiff kommt nie an. Unterwegs fängt der hölzerne Schaufelraddampfer Feuer und geht in Flammen auf. Mehr als 1000 der 1300 Passagiere kommen ums Leben, die meisten von ihnen Frauen und Kinder.

Das Unglück sorgt auf der ganzen Welt für Schlagzeilen, besonders betroffen aber sind die Deutschen in "Little Germany". Fast jeder dort hatte einen Verwandten oder einen Bekannten auf dem Dampfer. Viele von ihnen verlassen das Viertel, das die traurigen Erinnerungen birgt. In "Little Germany" wohnen bald nur noch wenige Deutsche.

Letzte Rettung für deutsche Juden

Als die Nazis in Deutschland 1933 die Macht ergreifen, wird Amerika erneut zum Fluchtpunkt vieler Deutscher. Insgesamt gelingt etwa 300.000 Juden die Flucht, auch wenn es für viele schwierig ist, in den USA Aufnahme zu finden. Denn die Einreisebestimmungen sind inzwischen verschärft worden.

Für Deutschland ist es auch ein Verlust an vielen klugen und kreativen Köpfen. Künstler wie Billy Wilder oder Marlene Dietrich kommen, oder sie bleiben in den Filmstudios, die oft von Deutschstämmigen in Hollywood aufgebaut worden sind. Junge Intellektuelle finden in Amerika ihren Weg, wie der Publizist Walter Laqueur, der Historiker Fritz Stern oder Henry Kissinger, der spätere Außenminister der USA.

Porträt von Henry Kissinger, ein älterer Mann mit grauen Haaren und Hornbrille.

Henry Kissinger im Jahr 2001

(Erstveröffentlichung: 2007. Letzte Aktualisierung: 21.04.2020)

Quelle: WDR

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