Porträtzeichnung von Joseph Marie Jacquard

Seide

Erfindung der Lochkarte

Die Lochkarte bereitete den Weg für unsere modernen Computer. Sie war ein frühes mechanisches Speichermedium für Daten – und sie hatte ihren ersten Einsatz in der Seidenproduktion.

Von Bärbel Heidenreich

Der französische Seidenweber Joseph Marie Jacquard entwickelte die Lochkarte, weil er nach einem Weg suchte, um auch komplizierte Muster mühelos in Seide zu weben. Noch heute werden überall in der Modewelt aufwändige Stoff- und Strickmuster nach ihm benannt: Jacquard-Muster.

Jacquard wurde 1752 in Lyon geboren. Er besuchte nie eine Schule und brachte sich das Lesen und Schreiben vermutlich selbst bei. Sein Vater war Weber an dem damals üblichen Zugwebstuhl und seine Mutter Gehilfin. An diesem Webstuhl mussten immer zwei Personen arbeiten, ein Weber und ein "Ziehjunge".

Jacquard wollte die Webtechnik verbessern und baute 1790 einen Webstuhl mit einer Vorrichtung, die den Ziehjungen überflüssig machte: die Latzenzugmaschine. Es dauerte fast zehn Jahre, bis sie von den Lyoner Seidenwebern erfolgreich eingesetzt wurde.

Doch das genügte Jacquard nicht. Er überlegte, wie man die Webtechnik weiter verbessern könnte. Es war nämlich ziemlich mühsam, bei komplizierten Mustern die Fäden der jeweiligen Farbe abzuzählen. Seine Idee: ein Lochkartensystem. Es sollte die Steuerung komplizierter Webmuster übernehmen. 1805 war es so weit: Er stellte seinen neuen "Jacquard-Webstuhl" vor.

Für das Lochkartensystem perforierte er das jeweilige Muster in Pappkarten und heftete sie mit Fäden aneinander. Dadurch entstand ein gelenkiges Band ohne Ende. Das lief über eine hölzerne Achse und ließ an den Stellen, wo sich die Löcher befanden, kleine Metallstifte gleiten. Wo kein Loch war, wurden diese Stifte zurückgehalten. Entsprechend dem gelochten Muster wurden am Ende des komplizierten Übertragungsmechanismus die Fäden aufgenommen.

Jacquards Lochkartensteuerung nutzte erstmals die binäre Information "0 und 1" für jedes erdenkliche Muster: die Software. Mit ein bisschen Phantasie kann man seinen Webstuhl als den ersten computergesteuerten bezeichnen.

Jacquard-Lochkarten in einem Museum

Mithilfe solcher Lochkarten konnten komplizierte Muster gewebt werden

Seine Lochkartensteuerung übernahm 1890 der Ingenieur Hermann Hollerith in den USA, um Statistiken zu erstellen. Und schließlich nutzte die erste Computergeneration die Lochkarte.

Durch die Einführung des Jacquard-Webstuhls wurde Mitte des 19. Jahrhunderts viel Handarbeit überflüssig. Vor allem die Webergehilfen verloren ihre Arbeit. Der Weg zur industriellen Massenproduktion in der Textilindustrie war bereitet.

(Erstveröffentlichung 2005. Letzte Aktualisierung 16.10.2017)

Quelle: WDR

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