Warum Bio-Kunststoffe nicht halten, was sie versprechen
Planet Wissen. 05.04.2023. 05:55 Min.. Verfügbar bis 29.05.2025. WDR.
Kunststoff
Biokunststoffe
Bioplastik – das klingt wie die Lösung eines großen Problems: Plastikkonsum ohne schlechtes Gewissen, kein Plastikmüll mehr in der Umwelt. Doch die Realität ist weit davon entfernt: Bioplastik ist meist ebenso schädlich wie herkömmliches Plastik.
Von Martina Frietsch
Biobasiertes Plastik: Gefahr für Natur und Tiere
Es gibt Mülltüten, Frischhalteboxen, Kinderspielzeug, Lebensmittelfolien, Geschirr und Becher aus Bioplastik. Selbst abbaubare Kaffeekapseln sind auf dem Markt. Beworben werden viele Artikel mit "kompostierbar" oder "biologisch abbaubar".
Sie bestehen aus unterschiedlichen Ausgangsmaterialien, doch eines haben fast all diese Produkte gemeinsam: Sie nennen sich Bioplastik, sind aber nicht "bio" im Sinne von Umweltfreundlichkeit.
Biobasiertes Bioplastik kann zu 100 Prozent aus organischem Material bestehen und dann auch komplett biologisch abbaubar sein. Muss es aber nicht. Viele Bioplastik-Produkte bestehen nur zu einem Teil aus nachwachsenden Rohstoffen, beispielsweise Mais oder Zuckerrohr.
Sie haben gegenüber herkömmlichem Plastik keinen Vorteil. Sie brauchen die gleiche Zeit, um zu zerfallen. Geraten sie ins Meer, stellen sie für Fische und Vögel eine ebenso große Gefahr dar wie herkömmliches Plastik.
"Abbaubar" bedeutet bei Bioplastik übrigens nur, dass das Material in immer kleinere Teile zerfällt. Was auf jeden Fall übrig bleibt, ist das problematische Mikroplastik.
Werden organische Rohstoffe verwendet, sorgt schon der Anbau der Pflanzen für Probleme: Es werden wertvolle Ressourcen wie Wasser und Ackerflächen verbraucht.
Häufig werden Pestizide eingesetzt, die Mensch und Natur schaden. Außerdem steht der Anbau von Pflanzen wie Mais, Kartoffeln oder Zuckerrohr in Konkurrenz zum Lebensmittelanbau.
100 Prozent biologisch abbaubar? Eher nicht!
Biobasiertes Plastik: Kein Fall für den Kompost
Selbst wenn das Bioplastik ausschließlich aus organischem Material hergestellt wurde, ist es zwar biologisch abbaubar, zerfällt also in Bestandteile, die in der Natur vorkommen. In die Biomülltonne oder auf den heimischen Kompost darf es dennoch nicht.
Damit es sich vollständig abbaut, müssen bestimmte Bedingungen herrschen, die es üblicherweise weder auf dem Kompost noch beim kommunalen Entsorger gibt: Der Abbau hängt von der passenden Temperatur, Feuchtigkeit, von den Mikroorganismen und vielen weiteren Faktoren ab.
Biomüllbeutel dürfen nur dann in die Tonne, wenn sie die Zertifizierung nach EN 13432 oder EN 14995 haben und wenn der lokale Entsorger sie verarbeiten kann. Dies ist jedoch selten der Fall. Im Zweifelsfall gilt also: Auch kein Bioplastik in die Biotonne!
PET-Mehrwegflaschen: Leichter als die Pendants aus Glas
Bioplastik aus Erdöl
Wo Bio draufsteht, muss nichts Organisches enthalten sein. So existieren durchaus Biokunststoffe, die zwar auf Erdölbasis hergestellt wurden, die aber dennoch biologisch abbaubar sind. Von diesen Kunststoffen bleiben letztlich nur Wasser und Kohlendioxid (CO2) übrig. Humusbildende Stoffe entstehen bei der Zersetzung aber nicht.
Voraussetzung für den kompletten Abbau ist, dass dieses Bioplastik tatsächlich die Chance dazu hat, also beispielsweise genügend Zeit hat, um zu verrotten. In den meisten Fällen wird Bioplastik aus dem Biomüll aussortiert und endet in der Müllverbrennung.
Lediglich in der Landwirtschaft sind biologisch abbaubare Mulchfolien bereits weit verbreitet. Im Gegensatz zu den herkömmlichen Plastikfolien können sie durch Mikroorganismen im Boden abgebaut werden. Es entfallen das Einsammeln von Folienresten und Rückstände im Boden.
Greenwashing – die Tricks der Werbung
Produkt-Aufdrucke wie "kompostierbar", "ökologisch", "biologisch abbaubar" suggerieren, das Produkt sei umweltfreundlich. So werden Verpackungen dann fälschlicherweise in der Biotonne entsorgt, wo sie wieder aussortiert werden müssen oder den Biomüll verunreinigen.
Beispiel Kaffeekapseln: Sie werden zwar häufig als "kompostierbar" beworben, dürfen aber weder in den Biomüll noch als Plastik in den gelben Sack. Was umweltfreundlich daherkommt, landet schließlich in der Müllverbrennung.
Verbände wie die Deutsche Umwelthilfe und der WWF (World Wide Fund for Nature) rufen dazu auf, das schädliche "Greenwashing" zu beenden, also die Darstellung als vermeintlich umweltfreundliches Produkt.
Auch die Forscher der Fraunhofer-Einrichtung für Wertstoffkreisläufe und Ressourcenstrategien IWKS empfehlen "mehr Transparenz für Verbraucher zu schaffen durch eindeutige Kennzeichnung auf den Produkten, um einerseits die Möglichkeit der Einflussnahme durch das Kaufverhalten zu eröffnen und andererseits die korrekte Entsorgung zu gewährleisten".
Das Ende des (Bio-)Einmalplastiks
Seit Mitte 2021 sind Einweg-Plastikartikel in der gesamten EU verboten. Dazu gehören To-go-Becher, Einweggeschirr, Wattestäbchen und Trinkhalme. Ebenfalls verboten ist Einweggeschirr und -besteck aus Bioplastik. Solche Produkte aus Bioplastik sind zwar weiterhin im Handel, allerdings nicht mehr als Einweggeschirr.
Seit 2022 ist auch die Abgabe von Plastik-Einkaufstüten verboten – ganz gleich, ob herkömmliche oder aus Biokunststoff. Denn Plastik bleibt Plastik – auch wenn es "bio" genannt wird.
UNSERE QUELLEN
- Deutsche Umwelthilfe: Bioplastik
- Umweltbundesamt: Biobasierte und biologisch abbaubare Kunststoffe
- WWF: Bioplastik
- WWF: Hintergrundpapier Bioplastik
- Heinrich-Böll-Stiftung und Bund für Umwelt und Naturschutz: Plastikatlas 2019, S. 34
- Agrarforschung Schweiz: Mulchfolien in der Landwirtschaft: Bioabbaubarkeit im Praxistest
- Fraunhofer IWKS: Positionspapier zu Bioplastik
- Bundesregierung: Einweg-Plastik wird verboten
Quelle: SWR | Stand: 17.02.2022, 16:00 Uhr