Neuer Hype um den Mond Planet Wissen 16.04.2024 02:36 Min. UT Verfügbar bis 14.11.2028 ARD-alpha

Mond

Zurück zum Mond

Die führenden Weltraumnationen wollen zurück zum Mond. Für längere Aufenthalte soll ein ganzes Dorf entstehen – mit Labors, Unterkünften und Gewächshäusern. Staatliche und private Weltraumunternehmen wetteifern um Verfahren und Raketen, um die neuen Mondmissionen zu verwirklichen.

Von Joachim Meißner

Neue Raketen und private Partner

Nach der bisher letzten Mondlandung von Apollo 17 im Jahr 1972 erlahmte das Interesse am Mond. Zu teuer erschienen die Mondmissionen. Inzwischen setzt ein Umdenken bei Politikern und Weltraumforschern ein. Neben den USA und Russland planen auch Länder wie China, Indien oder auch Europas Raumfahrtindustrie erneut bemannte Mondmissionen. Eine enorme technische und finanzielle Herausforderung, denn viel Wissen und technisches Know-how der alten Mondmissionen ist verloren gegangen.

Für die Mondlandungen der Pionierzeit wurde damals die bis heute noch größte und leistungsstärkste Rakete der Welt entwickelt: die dreistufige Saturn V. Sie hatte genügend Schubkraft, um Astronauten und Mondlandefähre über den Erdorbit hinaus Richtung Mond zu fliegen. Bis heute eine technische Meisterleistung, wenn man bedenkt, dass es damals kaum Computerunterstützung bei den Flugmanövern gab.

Mit heutigen Raketen und Raumkapseln können Astronauten nur zur Internationalen Raumstation ISS fliegen. NASA, ESA und die russische Raumfahrtbehörde nutzen dafür zurzeit noch russische Sojus-Raketen und starten damit ausschließlich vom Raumfahrtzentrum in Baikonur. Eine Abhängigkeit, die in politisch unruhigeren Zeiten den freien Zugang zur ISS beschränken könnte.

Ziel von NASA und ESA ist daher die Neuentwicklung von Raketen, mit der Lasten und Astronauten ins All befördert werden können, zur ISS und wenn möglich auch zum Mond. Zur Kosteneinsparung setzen sie dabei mittlerweile auch auf private Raumfahrtunternehmen wie SpaceX und Boeing, die ein milliardenschweres "Commercial Crew Program" aufgelegt haben, um neue Technologien für Raketen und Raumfrachter zu entwickeln.

Erste Testflüge Anfang 2019 mit einem unbemannten Raumfrachter (Crew Dragon), von einer Falcon-9-Trägerrakete ins All befördert, waren vielversprechend. Die Kapsel dockte erfolgreich an die ISS an und kehrte danach wieder zur Erde zurück.

Das Raumfahrt-Unternehmen SpaceX, gegründet vom südafrikanischen Unternehmer und Milliardär Elon Musk, setzt auf wiederverwendbare Raketen, um Kosten zu sparen und Weltraumtransportgeschäfte für privat-staatliche Unternehmungen finanzierbar zu machen. Eine Falcon-Heavy-9-Rakete von Space X könnte in Zukunft auch die Orion mit dem ESA-Modul ESM ins All befördern. Ziel ist es, in den nächsten Jahren Astronauten nicht nur zur ISS, sondern auch auf den Mond zu bringen.

Die Falcon-9-Rakete, wiederverwendbar, kostengünstig | Bildquelle: NASA

Ein Dorf auf dem Mond

"Wir wollen nicht nur Flaggen und Fußabdrücke zurücklassen und dann 50 Jahre lang nicht mehr zurückkommen. Wir wollen es nachhaltig machen, sodass man regelmäßig mit Menschen hin- und zurückgehen kann." So formulierte NASA-Chef Jim Bridenstine den Unterschied zum Apollo-Programm der 1960er- und 1970er-Jahre.

Neben den Amerikanern und Europäern planen auch China und Russland längere Aufenthalte auf dem Mond und wollen hierzu eine Mondbasis errichten, die vielleicht später zu einem größeren Monddorf ausgebaut werden könnte. Eine technische Herausforderung, denn die Gebäude müssen die Astronauten vor der kosmischen Strahlung, großen Druckunterschieden und extremen Temperaturschwankungen schützen.

Baumaterial auf den Mond zu befördern, kommt aus Kostengründen nicht in Frage. Man muss auf vorhandene Materialien zurückgreifen. Im Überfluss vorhanden ist Mondstaub, auch Regolith genannt. Dr. Matthias Sperl und sein Team vom Deutschen Zentrum für Luft und Raumfahrt (DLR) in Köln erproben, wie man aus Regolith Ziegelsteine für den Bau einer Mondbasis fertigen könnte.

Hier auf der Erde experimentiert er dazu mit Vulkanasche aus der Eifel. Sie ist physikalisch und chemisch fast identisch mit dem Mondstaub. Mit stark gebündeltem Sonnenlicht könnte auf dem Mond so etwas wie ein 3D-Drucker betrieben werden, der aus dem Mondstaub Schicht für Schicht Ziegel brennt.

Auf der Erde dauert es rund drei bis vier Stunden, um einen Stein herzustellen. Aber die Europäische Union setzt große Hoffnungen in das Projekt. Sie hat bisher immerhin schon rund eine Million Euro in das "Horizon 2020"-Projekt gesteckt.

Ein Gemüsegarten im All

Für einen längeren Aufenthalt auf dem Mond brauchen Wissenschaftler und Techniker nicht nur einen sicheren Stützpunkt zum Wohnen, sie brauchen auch frische, gesunde Nahrung. Nur wer sich abwechslungsreich und gesund ernährt, bleibt auf Dauer körperlich und geistig fit für alle Anforderungen, die ein stressiger Arbeitsalltag für Astronauten und Forscher mit sich bringen.

Um eine Mondkolonie längerfristig mit Nahrung zu versorgen, müssten Tonnen an Lebensmitteln zum Mond transportiert werden. Das wäre sehr teuer. Einfacher und auch günstiger wäre es, die Nahrung direkt auf dem Mond anzubauen. Doch wie könnte eine vitaminreiche Kost aus Paprika, Tomaten, Gurken, Salaten und Kräutern unter lebensfeindlichen Extrembedingungen gedeihen? Das erforschen Wissenschaftler wie der Luft- und Raumfahrtingenieur Paul Zabel vom DLR-Bremen gerade am extremsten Ort der Erde, der Antarktis. Die Eiswüste kommt den Verhältnissen auf dem Mond ziemlich nahe.

In der Nähe der Neumayer III-Forschungsstation betreibt das Team in einem Container ein mobiles Gewächshaus. Das Projekt "Eden-ISS" soll, so Paul Zabel, mehrere Stufen durchlaufen: "Nachdem wir hier in der Antarktis die Technologien für das Gewächshaus erprobt haben, wollen wir ein Gewächshaus auf der ISS aufbauen." Der Wissenschaftler ist zuversichtlich, dass sich die Erfahrungen aus dem Projekt Eden-ISS auf den Mond übertragen lassen. "Wir wollen den ersten Garten auf einem anderen Planeten errichten."

Das Antarktis-Gewächshaus besteht aus mehreren Abteilen. In der Servicezentrale befindet sich die Steuerung der Luft- und Wärmetechnik. In einem anderen Abteil werden Kräuter, Gemüse und Salate gezogen. Ressourcen wie Erde oder Dünger sind auf dem Mond nicht verfügbar und müssen mitgeführt werden.

Um ressourcenschonend Gemüse anzubauen, werden die Pflanzenwurzeln mit Nährlösungen besprüht. LED-Lampen, deren Farbspektrum auf die Bedürfnisse der Pflanzen abgestimmt ist, ersetzen das Sonnenlicht. Möglichst viele der eingesetzten Nährstoffe sollen in einem geschlossenen Kreislaufsystem recycelt werden.

Der Probelauf für den Gemüseanbau auf dem Mond verläuft bisher erfolgversprechend. Nach einem halben Jahr konnten Paul Zabel und sein Team Salate, Tomaten und Gurken ernten. Eine autarke Versorgung für spätere Bewohner einer Mondkolonie scheint nicht utopisch zu sein.

Dass die Wissenschaftler später nicht zu Astrogärtnern werden müssen, zeigt ein weiterer Bestandteil des Projektes. Viele Prozesse wie Nährstoff-, Licht-, Wasserzufuhr und Stromverbrauch im Gewächshaus-Container der Antarktis lassen sich vom DLR-Gelände in Bremen aus überwachen und fernsteuern.

Mondgärtnern – frisches Gemüse im All | Bildquelle: DLR-Bremen

Rückkehr zum Mond als Menschheitsprojekt?

Der Bau eines Monddorfes ist ein ambitioniertes und vor allem teures Unterfangen. Besonders wenn später noch eine Orbitstation, ein Weltraumbahnhof als Ausgangsbasis für Expeditionen zum Mars folgensoll. Seine Realisierung würde, abgesehen von der Frage nach seiner technischen Machbarkeit, viele Jahrzehnte dauern und enorme Summen verschlingen. Was also liegt näher als eine internationale Kooperation?

Doch statt einer Zusammenarbeit der führenden Weltraumnationen bahnt sich ein neuer Wettlauf zum Mond an. 2019 kam es zu einem Paukenschlag: Chinas Raumsonde Chang'e 4 gelingt die erste Landung auf der erdabgewandten Rückseite des Mondes.

Eine technische Meisterleistung: China hatte zuvor einen Kommunikationssatelliten in einen stabilen Orbit seitlich vom Mond gebracht – als Relaisstation. Denn die Mondrückseite liegt komplett im Funkschatten. Ohne den Relais-Satelliten wäre es unmöglich gewesen, mit Sonde und Mondlander zu kommunizieren.

Der Mondlander kann unter anderem Radiosignale aus dem Universum aufzeichnen und das Ausmaß der hochenergetischen Sonnenstrahlung messen. Sie ist das größte Problem für Astronauten, die einmal längerfristig auf dem Mond bleiben wollen. Inzwischen bereitet China weitere Missionen vor. Das Land plant den Bau einer Raumstation. Bis 2030 soll erstmals ein Chinese auf dem Mond landen.

Auch Länder wie Indien oder Israel haben lunare Ambitionen. So hat die israelische Nonprofit-Organisation SpaceIL 2019 mit "Bereshit" eine erstmals ausschließlich über private Mittel und Spenden finanzierte Sonde zum Mond geschickt. Sie sollte eine israelische Flagge auf dem Mond aufstellen und das Magnetfeld untersuchen.

Eine Falcon-9-Rakete des Raumfahrtunternehmens SpaceX brachte die Sonde zwar ins All, doch die Sonde zerschellte am 11. April nach einem Triebwerksausfall auf dem Mond. Indien hingegen setzt auf ein staatlich gefördertes Weltraumprogramm. Seine Raumfahrtbehörde ISRO will noch 2019 mit "Chandrayaan-2" auf dem Mond landen. 2022 sollen dann erstmals auch indische Astronauten auf einer indischen Trägerrakete in den Weltraum starten.

Herausgefordert vor allem durch die Erfolge und Pläne der Chinesen, drückt auch die US-Regierung bei der bemannten Mondfahrt aufs Tempo. Bislang hatte die NASA die nächste Mondlandung für 2028 angepeilt. Nun fordern Regierungsvertreter wie Vizepräsident Mike Pence, dass bis 2024 Amerikaner wieder ihren Fuß auf den Erdtrabanten setzen sollen. Die NASA plant zudem eine neue Raumstation. "Deep Space Gateway" soll um den Mond kreisen und von dort aus Landungen auf dem Erdtrabanten und Flüge tiefer ins All ermöglichen.

Mit der Rückkehr zum Mond sind viele Hoffnungen verbunden. Sie reichenunter anderem von der Früherkennung und Abwehr möglicher Asteroideneinschläge über die Entwicklung neuer in der Schwerelosigkeit gewonnener Materialeigenschaften für Technik und Medizin bis hin zu neuen Möglichkeiten in der Klimabeobachtung.

Die globalen Herausforderungen, vor denen wir heute stehen, machen die Weltraumforschung zu einem transnationalen Menschheitsprojekt. Deshalb bleibt zu hoffen, dass in Zukunft nicht militärische, sondern zivile Projekte für die Weltraumnationen im Vordergrund stehe.

Immerhin untersagt der UNO-Weltraumvertrag von 1967 den Mitgliedsstaaten, Massenvernichtungswaffen im All zu stationieren. Er verpflichtet sie, den Mond und andere Himmelskörper allein für friedliche Zwecke zu nutzen.

(Erstveröffentlichung 2018, letzte Aktualisierung 16.09.2019)