Düngemittel auf dem Feld.

Wasserversorgung in Deutschland

Streit ums Nitrat

Wegen zu hoher Nitratbelastung des Grundwassers stehen Deutschlands Landwirte seit Langem in der Kritik. Doch erst als Deutschland hohe Strafzahlungen seitens der EU drohten, wurde eine strengere Düngeverordnung verabschiedet. Ziel ist es, künftig überall die Grenzwerte für Nitrat im Grundwasser einzuhalten.

Von Martina Frietsch, Frank Drescher

Zankapfel Düngeverordnung

Die EU-Kommission brauchte mehrere Anläufe, bis Deutschland seiner Pflicht nachkam, die Nitratverschmutzung der Gewässer zu reduzieren. Deutschland musste seine neue Düngeverordnung von 2017 nachbessern.

2018 wurde es vom Europäischen Gerichtshof wegen Verletzung der europäischen Nitratrichtlinie verurteilt, 2019 strengte die EU-Kommission noch ein Verfahren an – und drohte mit Strafzahlungen von 850.000 Euro pro Tag. Seit 2020 hat Deutschland nun eine strengere Düngeverordnung – und bessere Nitratwerte im Grundwasser. Im Juni 2023 stellte die EU-Kommission das Verfahren gegen Deutschland ein.

Chemiker prüft Grundwasser in einem Reagenzglas.

Immer wieder das gleiche Messergebnis: zu viel Nitrat im Grundwasser

Teure Trinkwassergewinnung

Auch Deutschlands Wasserversorger warnen die Öffentlichkeit vor steigenden Kosten bei der Trinkwassergewinnung, weil sie in manchen Gegenden immer höhere Nitratwerte im Rohwasser finden. Um daraus Trinkwasser zu gewinnen, sind aufwendige technische Verfahren nötig.

Offenbar könnten Nitrate im Grundwasser die Allgemeinheit teuer zu stehen kommen – sei es als Steuerzahler oder als Wasserverbraucher. Denn noch immer werden die Grenzwerte überschritten. 2020 wurde bei knapp 16 Prozent aller Messstellen bundesweit zu viel Nitrat im Grundwasser festgestellt. Stehen die Messstellen in Gegenden mit viel Landwirtschaft, sind die Werte noch höher.

Schutz vor der Nitratverschmutzung

Hintergrund des Streits ums Nitrat ist die EU-Richtlinie 91/676/EWG aus dem Jahr 1991, in der sich die Mitgliedsstaaten dazu verpflichten, die Gewässer vor Nitratverschmutzung aus der Landwirtschaft zu schützen.

Dazu gehört, dass die Staaten der Europäischen Union (EU) die Nitratbelastung des Grundwassers ständig messen, Aktionsprogramme zur Verringerung der Nitratbelastung durchführen und deren Erfolg kontrollieren. Darüber müssen die EU-Mitglieder der Kommission alle vier Jahre Bericht erstatten.

Hauptursache für Nitrat im Grundwasser ist die Landwirtschaft, weil Ackerbauern ihre Felder mit Gülle aus der Viehzucht düngen. Ein Teil des Stickstoffes verwerten die Ackerpflanzen, doch die Gülle enthält mehr Stickstoff, als die Ackerpflanzen verwerten können. So gelangt der Stickstoffüberschuss in den Wasserkreislauf.

Mann in Boot mit Wasserflasche in der Hand.

Greenpeace untersucht Wasserproben auf Nitrat- und Phosphor-Belastungen

Alarmierende Nitratkonzentrationen

Tatsächlich meldete die Bundesregierung im Jahre 2012 alarmierende Zahlen: An der Hälfte aller Grundwasser-Messstellen war die Nitratkonzentration höher als die erlaubten 50 Milligramm je Liter (mg/l). Bei einem weiteren Fünftel der Messstellen lag die Nitratkonzentration nur knapp unter dem Grenzwert. Unbedenkliche Werte von 25 mg/l wies nicht einmal ein Zehntel der Messstellen auf (siehe Abbildung 1). 

Diagramm: Nitratgehalte im Zeitraum von 2008-2010.

Dabei gab es aus Sicht der Bundesregierung aber auch eine gute Nachricht: Gegenüber dem vorangegangenen Nitratbericht von 2008 habe sich eine leichte Verbesserung der Lage ergeben, wie ihre Auswertung der Messungen ergeben habe. 

Für die EU-Kommission war aber das genaue Gegenteil der Fall. Sie wertete dieselben Messwerte nach einer anderen Berechnungsmethode aus und kam so auf eine Zunahme der Nitratkonzentration im Grundwasser.

Mehr Messstellen, präzisere Daten

Was folgte, war ein Streit zwischen EU-Kommission und Deutschland, der sich über Jahre hinzog. Die Kommission bemängelte die zu niedrige Anzahl der Messstellen. Die gerade erlassene Düngeverordnung musste nachgebessert werden. Dennoch reichten die Maßnahmen nicht aus.

Deutschland unternehme zu wenig gegen Nitrat – nicht nur im Grundwasser, sondern in allen Gewässern, stellte 2018 der Europäische Gerichtshof fest. Erst seit Mai 2020 hat Deutschland eine strengere Düngemittelverordnung und seither weniger Nitrat im Grundwasser.

Gegen die Verschärfung der Verordnung hatte sich der Bauernverband gewehrt. Sein Argument: Ackerpflanzen benötigen nun einmal Stickstoff als Nahrung, und durch Gülle seien Landwirte in der Lage, auf den Kauf von Mineraldünger zu verzichten. 

Agrarlobbyisten warnen außerdem: In Dänemark habe eine zu starke Reglementierung des Düngens der Qualität des Brotgetreides geschadet, weswegen die strikten Düngevorschriften dort inzwischen wieder gelockert seien. 

Auch die Zahl der Messstellen wurde massiv erhöht. Waren es 2002 noch 162 Messstellen, waren es zwanzig Jahre später bereits 1215. Allerdings werden nur 692 davon für die Berichterstattung an die EU genutzt.

Der Grund dafür steht in der EU-Nitrat-Richtlinie selbst: Es dürfen nur die Daten der Messstellen genutzt werden, in deren Einzugsgebiet der Einfluss der Landwirtschaft auf das Grundwasser dominiert. Oder im Umkehrschluss: Gegenden, in denen die Landwirtschaft keine oder eine geringe Rolle spielt, also rund 40 Prozent der gesamten Fläche Deutschlands, werden nicht berücksichtigt.

Algenblüte in einem Bach.

Algenblüte in einem Bach: eine Folge der Überdüngung

Weniger Nitrat im Grundwasser

Noch immer ist in Deutschland zu viel Nitrat im Grundwasser vorhanden. 2020 wurden an rund 27 Prozent der Messstellen Werte gemessen, die über den erlaubten 50 Milligramm Nitrat pro Liter Wasser lagen.

Gegenüber 2002 ist das eine Verbesserung, doch der Grund dafür ist nicht klar. Die Messwerte seien nicht direkt vergleichbar, so das Umweltbundesamt, weil seit 2002 das Nitratmessnetz geändert wurde. Der Bauernverband reklamiert den Erfolg für sich. Deutschlands Landwirte ließen einen immer geringeren Stickstoffüberschuss in die Umwelt.

Vom eigentlichen Ziel, an keiner Messstelle den Grenzwert zu überschreiten, ist Deutschland noch weit entfernt. Besonders in Gegenden mit viel Viehhaltung und Anbau von Sonderkulturen würden die Nitrat-Grenzwerte häufig überschritten, so das Umweltbundesamt.

Seit 2021 sind in besonders belasteten Gebieten schärfere Maßnahmen vorgeschrieben. So muss beispielsweise der Düngeeinsatz verringert werden.

Ab 2025 soll dann die Einarbeitungszeit von organischem Dünger auf ein Viertel der Zeit verkürzt werden. Davon erhoffen sich Experten eine weitere Reduzierung des Nitrateintrags ins Grundwasser.

Quelle: SWR | Stand: 02.06.2023, 12:35 Uhr

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