Tierische Helfer

Therapietiere

Ob Blindenhund, Therapiepferd oder Blutegel: Die Medizin ist eines der größten Einsatzgebiete für tierische Helfer.

Von Jennifer Dacqué und Anette Kiefer

Ersatz für die Sinne

Der mit Abstand dienstälteste Gefährte in diesem Bereich ist der Blindenhund. Bereits in der Antike wurden Hunde als Begleiter für blinde Menschen eingesetzt. Das zeigen Wandmalereien aus Herculaneum, einer antiken Stadt nahe Neapel, auf denen ein Mann von einem Hund geführt wird.

Die systematische Ausbildung von Blindenführhunden begann jedoch erst viel später, im 18. Jahrhundert. Heute übernehmen Hunde noch viel umfassendere Aufgaben. Viele Menschen mit einer Hörbehinderung setzen zum Beispiel auf Signalhunde ("Hearing Dogs"). Diese werden darauf trainiert, verschiedene Geräusche – von der Türglocke bis zum Wecker – zu unterscheiden und auf sie zu reagieren.

Zuverlässig führen Signalhunde ihr Herrchen oder Frauchen zur Geräuschquelle oder zeigen eine Gefahr, zum Beispiel einen Feueralarm, durch bestimmtes Verhalten an.

Archiv: 26.10.2016. Ausbildung eines Blindenhundes, Blindenhund mit Ausbilderin am Straßenrand

Blindenhunde gibt es schon seit Jahrhunderten

Blindenpony statt Blindenhund

Durch ihr enges Verhältnis zum Menschen meistern Blindenhunde ihre Aufgaben mit Bravour. Doch was machen eigentlich blinde Menschen mit einer Hundehaarallergie?

Die Alternative kommt aus den USA, hat ebenfalls vier Beine und ist auch nicht viel größer als ein Hund: das Blindenpony. Obwohl das Konzept zunächst etwas seltsam klingt, hat es inzwischen auch in Europa viele Anhänger. Denn die eingesetzten Mini-Ponys haben einige Vorteile gegenüber dem klassischen Blindenhund.

Pferde haben generell eine höhere Lebenserwartung und können ihr Herrchen oder Frauchen im Idealfall bis zu 35 Jahre lang durchs Leben führen. Als Fluchttiere besitzen Pferde zudem ein weiteres Blickfeld als Hunde, da ihre Augen seitlich am Kopf liegen. Autos oder Radfahrer, die von der Seite auf den Blinden zusteuern, erkennen sie also besser.

Auch sind die kleinen Tiere sehr kräftig: Menschen, die zusätzlich zu ihrer Sehbehinderung auch körperlich eingeschränkt sind, können sich auf Hilfe zum Beispiel beim Aufstehen verlassen.

Wird also der klassische Blindenhund bald ausgedient haben? Wohl kaum. Im Gegensatz zu Hunden werden die Ponys in Deutschland noch nicht als offizielles Hilfsmittel für Blinde anerkannt.

Hörsaal mit Studenten an Tischen. Neben Mona wartet ihr Blindenpony.

Blindenpony Cali besucht mit Mona die Universität

Tiergestützte Therapie

Auch bei anderen Handicaps oder Krankheiten können Tiere den Menschen einen großen Dienst leisten. Die Delfintherapie ist wohl eine der bekanntesten tiergestützten Methoden in der medizinischen und emotionalen Betreuung. Vor allem Kinder mit körperlicher oder geistiger Behinderung profitieren vom Umgang mit den Delfinen.

Eine Langzeitstudie an der Universität Würzburg konnte beweisen, dass Kinder mit Down-Syndrom oder Autismus durch die Delfine aufgeschlossener, selbstbewusster und mutiger wurden. Auch ihr Sprachgefühl verbesserte sich in nur kurzer Zeit deutlich.

Tierschützer wie der Deutsche Tierschutzbund kritisieren allerdings, dass bei solchen Therapien das Wohl der Wildtiere gefährdet ist, zum Beispiel wenn die Delfine in viel zu kleinen Becken gehalten werden.

Schmusestunde gegen Demenz

Auch Hunde, Pferde, Esel und Lamas können emotionale Blockaden bei Menschen mit und ohne Handicap lösen. Dieser Effekt ist auch ein Grund dafür, warum tiergestützte Therapiekonzepte inzwischen in vielen Seniorenheimen getestet werden. Besonders in der Demenzbehandlung haben sich hierbei deutliche Erfolge gezeigt.

Im Rahmen einer Studie des Instituts für Pflegeforschung der Universität Bremen bekamen die alten Menschen zweimal in der Woche Besuch von einem Kleintierzoo. Sie durften mit den Tieren spielen, sie streicheln oder füttern. Das Ergebnis: Die Bewohner wurden aktiver, kommunikativer, fühlten sich gesünder und waren emotional ausgeglichener.

ältere Frau streichelt Golden Retriever

Positive Effekte durch Tiere im Seniorenstift

Schuppige Hautärzte

Tierische Mediziner sind allerdings nicht immer plüschig oder niedlich – sondern in manchen Fällen auch glitschig. Die bis zu sechs Zentimeter lange Rötliche Saugbarbe ist ein kleiner Fisch aus der Familie der Karpfen, und sie hat sich als erstaunlich talentierte Hautärztin bewiesen.

Bei der Ichthyotherapie (auch Knabberfisch-Therapie genannt) werden Hunderte der kleinen Fische eingesetzt, um Hautkrankheiten wie Schuppenflechte oder Neurodermitis zu behandeln. Denn Saugbarben verfügen über einen erstaunlichen Appetit auf abgestorbene Hautschüppchen, die sie den Patienten vom Körper knabbern.

Entdeckt wurde die Fähigkeit der Tiere im türkischen Ort Kangal, dem natürlichen Lebensraum der Fische. Dort lassen sich die Bewohner schon lange die Haut glatt knabbern – auch aus ästhetischen Gründen.

Bei der Behandlung nimmt der Patient ein Bad in einem mit Thermalwasser gefüllten Becken. Etwa 300 bis 500 Fische baden mit ihm. Anschließend werden die gesäuberten Hautpartien mit ultraviolettem Licht bestrahlt.

Obwohl viele Patienten danach von einer Linderung ihrer Beschwerden berichten, ist die Ichthyotherapie in der Schulmedizin noch immer umstritten – wie so viele tiergestützte Therapiemethoden.

Heilbringende Helfer

04:02 Min. Verfügbar bis 03.03.2025

(Erstveröffentlichung: 2011. Letzte Aktualisierung: 30.06.2021)

Quelle: WDR

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