Tiere als Ergänzung zur kargen Kost
An vielen Orten mit kargen Böden, wie etwa in Mooren oder Heiden, leiden Pflanzen an permanentem Nährstoffmangel. Um sich trotzdem durchzuschlagen, entwickelten einige von ihnen eine neue Überlebensstrategie: Teile der Pflanze wandelten sich in Fallen um, mit denen Insekten erbeutet werden können. Einmal in der Falle, werden die Körper der Tiere mithilfe spezieller Verdauungssäfte zersetzt. Die so gewonnenen Nährstoffe ergänzen die karge Kost.
Etwa 600 Pflanzenarten zählen zu den fleischfressenden Pflanzen. Rund 15 Gattungen fleischfressender Pflanzen sind im deutschsprachigen Raum heimisch. Darunter ist auch der Sonnentau, der zum Beispiel in der Lüneburger Heide wächst.
Der Klassiker: die Venusfliegenfalle
Die Venusfliegenfalle ist vermutlich die berühmteste fleischfressende Pflanze, da es sie auch als Zimmerpflanze zu kaufen gibt. Ursprünglich stammt sie aus den Sumpfgebieten im Osten der Vereinigten Staaten und fängt dort Ameisen, Fliegen und Spinnen, die sie mit Nektar an den Innenseiten ihrer Fangblätter anlockt.
Werden die feinen Härchen auf der Innenseite der Fangblätter zweimal kurz hintereinander berührt, schnappt die Falle zu. So kann die Venusfliegenfalle sichergehen, dass es sich nicht um einen Regentropfen handelt, sondern tatsächlich um ein umherlaufendes Insekt.
Der Abstand der Borstenhaare wiederum führt dazu, dass der anstrengende Verdauungsvorgang nur bei größeren Beutetieren ausgelöst wird. Kleine Tiere lässt die Venusfliegenfalle durch die Lücken entkommen.
Das Zuklappen der Fangblätter ist eine der schnellsten Bewegungen, die es unter Pflanzen gibt. Die Falle kann bis zu sieben Mal eingesetzt werden, danach stirbt sie ab und wird durch neu gebildete Fallen ersetzt.
Der Vielfraß unter den Fleischfressern
Die in den Tropen beheimateten Kannenpflanzen (Nepenthes) haben eine andere Fallenform entwickelt: Sie lassen rutschen. Einige ihrer Blätter bilden bis zu 60 Zentimeter große Kannen, deren obere Ränder und innere Wände wachsartig überzogen und daher extrem glatt sind.
Insekten, die sich auf den Kannenrand verirren, rutschen blitzschnell in die Kanne hinein und werden hier von einer stark sauren Verdauungsflüssigkeit zersetzt. Über der Kannenöffnung befindet sich eine Art Deckel, der dafür sorgt, dass kein Regenwasser in das Innere gelangen kann.
Auf Borneo und Sumatra lebt die wohl gefräßigste fleischfressende Pflanze der Welt, eine Kannenpflanze namens Nepenthes albomarginata, was so viel wie "Kannenpflanze mit weißem Rand" bedeutet. Rund um ihre Öffnung befindet sich ein weißer Rand, der für Termiten unwiderstehlich ist.
Von den Kundschaftern erst einmal entdeckt, stürzen sich die Arbeiterinnen bald schon zu Hunderten auf den Rand, um kleine Stücke davon abzubeißen. Bei all dem Gedrängel am Kannenrand fallen die Tiere im Sekundentakt in die Kanne. Mehrere tausend Termiten können so innerhalb weniger Stunden im Inneren der Pflanze landen.
Fiese Klebefallen
Mit derzeit annähernd 250 Arten gehören die Sonnentaue (Drosera) gemeinsam mit den Wasserschläuchen (Utricularia) zu den größten Gattungen der fleischfressenden Pflanzen. Die Sonnentauarten haben eine ganz eigene Strategie des Beutefangs entwickelt: Die Opfer werden festgeklebt.
Ein glitzerndes Leimtröpfchen am Ende der Drüsententakel lockt die Insekten an. Doch kaum berühren die Tiere das vermeintliche Futter, bleiben sie daran hängen. Jeder Befreiungsversuch führt dazu, dass das Insekt an weiteren Tropfen kleben bleibt. Die Tentakel schließen die Beute in Minuten von allen Seiten ein, Verdauungssekrete werden freigesetzt und das Opfer verdaut.
Die Katapult-Leimfalle
Die zu den Sonnentauen gehörende Katapult-Leimfalle (Drosera glanduligera) besitzt die schnellste Falle der Gattung. Wie ihre Verwandten hat sie mit klebrigem Nektar bestückte Drüsententakel.
Zusätzlich bildet sie am Blattrand stark verlängerte Tentakel mit einem berührungsempfindlichen Kopf. Diese katapultieren die Beute innerhalb von 75 Millisekunden zur Blattmitte, wo die Opfer von den Klebetentakeln in eine Verdauungsmulde transportiert werden.
Freiburger Forscher haben in Zusammenarbeit mit den beiden Experten Siegfried und Irmgard Hartmeyer erstmals die Fangbewegung der sehr seltenen fleischfressenden Pflanze analysiert und per Video dokumentiert.