Für viele Mitarbeiter der Ministerien kam ein Umzug von Bonn nach Berlin nicht in Frage. Doch nicht nur sie sahen schwarz für ihre berufliche Zukunft: Auch der Handel und die Gastronomie bangten um den Verlust ihrer finanziell gut gestellten Kundschaft – vom Taxifahrer über die Marktfrau bis hin zum Betreiber des Edelrestaurants. Anfang der 1990er-Jahre konnte sich wohl kaum einer vorstellen, dass das Geschäft nicht unter dem Regierungsumzug leiden würde.
Zum Glück für Bonn hatten die Schwarzseher unrecht: Zwar fielen durch die Verlegung der Ministerien, des Bundestages und Bundesrates, des Bundeskanzleramtes und des Bundespräsidialamtes insgesamt rund 11.400 Arbeitsplätze weg. Dafür wurden seit dem Bonn-Berlin-Beschluss aber mit Hilfe der Bundesgelder in der Region 18.500 Arbeitsplätze neu geschaffen oder gesichert.
Nur 7.500 Bundesbedienstete mussten zunächst nach Berlin umziehen. War die Zahl der Regierungsmitarbeiter im Jahr 2000 noch um gut 60 Prozent höher als in Berlin, arbeiten inzwischen nur noch etwa 40 Prozent der Beamten – also rund 6.900 von ihnen – in Bonn. Das Bonn-Berlin-Gesetz scheint ins Wanken zu geraten.
Vor allem aber der Ansiedlung von Global Playern wie der Deutschen Telekom AG und der Deutschen Post World Net ist es zu verdanken, dass die Zahl der Arbeitsplätze in Bonn seit dem Regierungsumzug tatsächlich gestiegen ist. Seit dem Umzug siedelten sich zudem insgesamt 800 Firmen aus der IT-Branche im Bonner Stadtgebiet an und schafften 25.000 neue Arbeitsplätze.
Ebenso erfreulich für Bonn hat sich die Einwohnerzahl entwickelt: In der Bundesstadt leben heute mehr Menschen als zu Hauptstadtzeiten – 2019 waren es mehr als 329.000 Einwohner, Tendenz steigend.
Alle, die befürchtet hatten, dass die Ex-Hauptstadt wieder zum verschlafenen Provinzstädtchen werden könnte, wurden also inzwischen eines Besseren belehrt. Die Beliebtheit Bonns mag unter anderem an der hohen Lebensqualität am Rhein liegen.
(Erstveröffentlichung 2006. Letzte Aktualisierung 17.08.2020)
Quelle: WDR