Nach der Premierenpleite kommt der Erfolg
"Madame Butterfly" wurde zur populärsten und meist gespielten Oper aus dem Repertoire des italienischen Komponisten Giacomo Puccini (1858-1924). Weltweit gehört das Werk noch heute zu den beliebtesten Stücken der Opernliebhaber. Um so erstaunlicher ist es, dass die Uraufführung am 17. Februar 1904 in der Mailänder Scala zu einer großen Katastrophe wurde.
Die Mailänder zeigten sich wenig weltoffen. Ihnen war der Ort der Handlung wohl zu weit weg. Japan, Nagasaki, das lag für sie in einer anderen Welt. Und auch die Musik klang für ihre Ohren zu fremd, zu fernöstlich. Verschiedene Szenen wurden von einzelnen Besuchern lauthals mit komischen Bemerkungen kommentiert, was zu schallendem Gelächter im Publikum führte. Es kam zu Tumulten. Das Stück wurde von der lokalen Presse verrissen.
Puccini selbst reagierte auf das Premieren-Debakel mit stolzem Trotz. "Meine Butterfly bleibt, was sie ist. Die empfindungsreichste Oper, die ich je geschrieben habe! Ich werde noch gewinnen..."
Und Puccini gewann. Er nahm die Mailänder Pleite zum Anlass, einige Veränderungen an dem Stück vorzunehmen: Er veränderte unter anderem Butterflys Auftritt musikalisch und schrieb für die männliche Hauptrolle eine neue Arie, die der Figur die Fähigkeit zur Reue und Einsicht hinzufügte.
Die Nachbehandlung zeigte den gewünschten Effekt. Nur einige Wochen später, am 28. Mai 1904, diesmal im Teatro Grande der italienischen Stadt Brescia, wurden Komponist und Oper vom Publikum begeistert gefeiert. "Madame Butterfly" trat einen triumphalen Siegeszug durch viele Länder an.
Eine Geisha singt italienisch
Doch wie war ein italienischer Komponist dazu gekommen, eine Oper über eine japanische Geisha zu schreiben? Nach dem grandiosen Erfolg, den Puccini mit seiner Oper "Tosca" im Januar 1900 gefeiert hatte, beschwerte er sich schon bald über Arbeitsmangel. Es gebe keine geeigneten Bücher mehr, die man zu guten Opernwerken machen könne, kritisierte er.
Während eines Aufenthalts in London sah er dann aber ein einaktiges Theaterstück in englischer Sprache, das den Titel "Madam Butterfly" trug. Der Italiener verstand zwar kaum ein Wort, was auf der Bühne gesprochen wurde. Aber er erkannte, dass diese Geschichte, in der es um das Schicksal einer japanischen Geisha ging, der Stoff war, nach dem er gesucht hatte.
Begeistert fragte Puccini sofort den Autor um die Erlaubnis, aus dessen kleinem Theaterstück eine große Oper machen zu dürfen. Der stimmte zwar sofort zu, aber erst ein Jahr später kam auch ein Vertrag mit dem zuständigen Verlag zustande.
Puccini machte sich sofort mit großem Eifer an die Arbeit und entwickelte sein musikalisches Konzept. Als Librettisten konnte er seine beiden Stammschreiber Guiseppe Giacosa und Luigi Illica verpflichten, die auch schon das Buch für "La Bohème" und "Tosca" geschrieben hatten.
Die beiden erarbeiteten die Text- und Liedpassagen zwar in italienischer Sprache, aber Puccini achtete darauf, seiner Komposition nicht nur vom Orchesterarrangement und von der Instrumentierung her japanische Akzente zu verleihen. Er setzte sich mit einer japanischen Schauspielerin zusammen, die gerade auf Theatertournee durch Italien war. Sie sollte ihn mit dem eigentümlichen Klang einer japanischen Frauenstimme vertraut machen.
Ob Kalkül oder Zufall, etwas später machte Puccini Bekanntschaft mit der Frau des japanischen Botschafters. Sie war ihm ebenfalls eine große Hilfe, um sich in die japanische Kultur und Lebensweise hineinzudenken. Sie sang dem Meister japanische Volkslieder vor, versorgte ihn mit entsprechender Literatur und wusste sogar von einer Geisha zu berichten, die ein ähnliches Schicksal erlitten hatte wie die Cio-Cio-San aus der Oper "Madame Butterfly". Puccini stellte die Oper am 27. Dezember 1903 fertig.
Fernöstliche Romanze und tragischer Bühnentod
"Madame Butterfly" spielt zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Durch seine aggressive Expansionspolitik war Japan damals zu einer militärischen Großmacht aufgestiegen und befand sich auch in einem wirtschaftlichen Aufschwung. Die Industrialisierung war weit vorangeschritten.
Es gab auf politischer Ebene enge Kontakte zu westlichen Staaten und auch die Handelskontakte wurden intensiv gepflegt. Vor dieser historischen Kulisse spielt die Handlung der Puccini-Oper, in der ein amerikanischer Marine-Offizier und eine junge Geisha die Hauptrollen spielen.
Der amerikanische Marine-Offizier Pinkerton möchte sich in der japanischen Stadt Nagasaki ein Haus kaufen. Ihm gefällt dieses exotische Land sehr. Außerdem hat er sich in die 15-jährige Cio-Cio-San verliebt, mit der er sich während seines Aufenthaltes in Japan eine schöne Zeit machen möchte. Die beiden feiern eine Hochzeitszeremonie nach japanischer Sitte.
Für den Amerikaner ist das Ganze eine unterhaltsame und exotische Affäre. Die junge Geisha jedoch sieht darin den Anfang einer ernsthaften Beziehung. Die beiden frisch Vermählten verbringen einige schöne Tage miteinander, bis Pinkerton wieder abreisen muss. Sein Schiff bringt ihn zurück in die USA.
Die fernöstliche Romanze bleibt nicht ohne Folgen für Cio-Cio-San. Sie wird schwanger, erwartet ein Kind von Pinkerton. Sie erzieht den gemeinsamen Sohn mit aller Liebe und erzählt dem heranwachsenden Kind viel vom Vater, der wohl bald wieder kommen wird.
Aber es vergehen Jahre, bis am Horizont das Schiff Pinkertons in Sicht kommt. Cio-Cio-San ist außer sich vor Freude über das Wiedersehen. Doch Pinkerton ist nicht alleine zurück nach Japan gekommen. Er hat seine amerikanische Frau mitgebracht.
Cio-Cio-San erfährt von Pinkertons Doppelleben und erkennt, dass er sie nur als Freudenmädchen betrachtet hat. Sie fühlt sich entehrt und gedemütigt und begeht mit dem Dolch ihres Vaters Harakiri. Der hatte ebenfalls vor vielen Jahren diesen, für Japaner ehrenvollen, Freitod gewählt. Sie möchte ihrem Sohn die Schande ersparen, das Kind einer amerikanischen Hure zu sein.
Die entscheidenden Worte, die sie vor ihrem Tod ausspricht, sind: "Ehrenvoll sterbe, wer nicht länger mehr leben kann in Ehren." Es ist die Inschrift auf dem Dolch ihres Vaters.
(Erstveröffentlichung 2004, letzte Aktualisierung 22.08.2017)