Sehnsucht nach Gefühlen
Ihren Ursprung hatte die Romantik in Deutschland. Während der Zeit der Aufklärung im 17. und 18. Jahrhunderts hatten die wissenschaftlichen Forschungsbestrebungen dazu geführt, dass viele Naturphänomene erklärbar geworden waren. Auch in der damaligen Gesellschaft hatte ein Umschwung begonnen, denn in den wichtigsten europäischen Herrscherhäusern, Habsburg und Preußen, wehte ein neuer Wind.
Den Untertanen wurden mehr Rechte zugebilligt und die Religionsfreiheit führte zu einem Machtverlust der Kirche. Das rationale Denken und Handeln war in Politik, Wirtschaft, Wissenschaft und Kunst in den Vordergrund gerückt.
Die Gefühlswelt der Menschen war dabei allerdings ins Hintertreffen geraten. Die Französische Revolution von 1789 und die daraus folgende Besetzung und Unterdrückung weiter Teile Europas durch die Truppen Napoleons taten ihr Übriges, um die Sehnsucht nach Freiheit der Gefühle zu befeuern. Berühmt wurde in dieser Zeit auch der Maler Caspar David Friedrich mit seinen Naturbildern, den so genannten "Seelenlandschaften".
Eine romantische Welle erfasst das Land
Die literarische Romantikbewegung lässt sich in verschiedene Phasen einteilen: die Frühromantik (1795 bis 1804), die Hochromantik (1805 bis 1815) und die Spätromantik (1816 bis 1830) sowie die Biedermeierzeit (bis 1848).
Anders als bei der Weimarer Klassik, die durch Johann Wolfgang von Goethe und Friedrich Schiller begründet wurde, hatte die Romantik viele Zentren – in Jena, Berlin, Heidelberg, Dresden, Wien und München. Außerdem verteilte sie sich auf viele Schriftsteller und wurde zu einer wahren Welle, von der auch das einfache Volk erfasst wurde.
Ihren Ursprung hat die romantische Dichtung in den Jahren 1795/1796. Ludwig Tiecks Romane "Die Geschichte des Herrn William Lovell" und "Franz Sternbalds Wanderungen" gelten als Beginn der frühen Romantik. Auch Novalis, Wilhelm Heinrich Wackenroder oder E.T.A. Hoffmann werden zu den Dichtern der Frühromantik gezählt.
Sie verfassten lyrische Erzählungen, Gedichte und sogenannte Kunstmärchen – also Märchen, die von Schriftstellern erfunden und nicht wie Volksmärchen seit Generationen weitererzählt wurden. In diesen Werken setzten sie auf große Gefühle, auf phantastische Szenerien und auf naturverbundene Schilderungen.
Im Mittelpunkt ihrer Werke stand oft der Begriff der Heimat, aber ebenso eine Sehnsucht nach fernen Ländern und Kulturen des Orients. Das Gefühls- und Seelenleben der Figuren, die in ihren Stücken die Hauptrollen spielten, rückte in den Vordergrund der Geschichten.
Flucht aus der Wirklichkeit
Der Schriftsteller Novalis wurde durch seinen frühen Tod 1801 mit nur 28 Jahren zum Mythos der romantischen Bewegung. Sein Roman "Heinrich von Ofterdingen" blieb unvollendet und erschien erst 1802, also nach seinem Tod. Die in dem stark autobiografisch geprägten Roman vorkommende "Blaue Blume" wurde zum Symbol der Romantik.
Mit ihrer poetischen Betrachtung der Wirklichkeit, die bis zur Verklärtheit reichte, trafen die Dichter der Romantik den Nerv jener Zeit und wurden enorm populär und erfolgreich. Nicht von ungefähr wurden Begriffe wie Volkslied und Volkspoesie geprägt, die von der großen Beliebtheit und Verbreitung der Werke zeugen.
Der Hang zum Unwirklichen und zum Magischen, die Rückbesinnung auf die Vergangenheit, das Wiedererstarken des katholischen Glaubens und der katholischen Kirche, die Überbetonung von Geist und Seele in der romantischen Bewegung und die große Akzeptanz der Literatur bei den Bürgern jener Zeit sind als Flucht aus der Wirklichkeit und als Kritik an der bestehenden politischen und gesellschaftlichen Situation zu deuten.
Heimatgefühl und Rheinromantik
Die Kulturgesellschaft in der Romantik war durch einen regen Gedankenaustausch zwischen den Vertretern der einzelnen Kunstgattungen geprägt, die sich in gemeinsam abgehaltenen Zirkeln trafen. Viele der bekannten Komponisten jener Zeit, wie Robert und seine Frau Clara Schumann, Franz Schubert oder Felix Mendelssohn-Bartholdy, vertonten die Poesie ihrer Dichterkollegen.
Auch die Damen jener Zeit nahmen an dieser romantischen Kooperation aktiv teil. Sie wurden zu wichtigen Initiatoren der Salonkultur. Ihre Salons wurden ebenfalls zu Künstlertreffpunkten.
Zu einem der bekanntesten und beliebtesten Lieder der Romantik wurde das 1824 von Heinrich Heine verfasste und von Friedrich Silcher komponierte Loreley-Gedicht. Es wurde zum literarischen Höhepunkt der Verherrlichung des Rheins und der Rheinromantik, die der Schriftsteller Clemens Brentano einige Jahre zuvor begründet hatte. Dieser Fluss wurde zum Inbegriff der deutschen nationalen Identität hochstilisiert.
Brentano war es auch, der 1805 mit "Des Knaben Wunderhorn" eine Sammlung von Volksliedern herausbrachte, die ebenfalls sehr von Naturverbundenheit und dem Heimatgedanken geprägt war und äußerst populär wurde.
Die Veröffentlichung fiel wohl nicht unbeabsichtigt in das Jahr, in dem Napoleon durch seinen Sieg bei Austerlitz die endgültige Vormachtstellung in Europa erlangte und damit das Ende des "Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation" besiegelte. Ein Trauma, das seinen Niederschlag in der romantischen Literatur fand.
Romantik als Lebensgefühl
Die Romantiker folgten einem hohen Anspruch. Sie wollten ein neues Lebensgefühl vermitteln, in dem die Kunst und die Gefühlswelt eine wichtige Rolle spielen sollten. Ihr Ziel war es, eine neue Art des Denkens zu etablieren.
"Die Welt muss romantisiert werden. So findet man den ursprünglichen Sinn wieder", lautete ein Ausspruch des Dichters Novalis. Auch das europäische Ausland wurde von dieser Welle erfasst, die in der Literaturwissenschaft durchaus als Kulturrevolution betrachtet wird.
Durch die deutsche Romantik beeinflusst, entstand bald eine ähnliche Literaturbewegung im Ausland. In Frankreich, unter anderem durch Victor Hugo, in England, unter anderem durch Lord Byron, aber auch in Osteuropa, hier unter anderem durch Alexander Puschkin begründet, setzte sich die romantische Welle durch.
Der Hang zum Phantastischen und Irrealen steigerte sich in den einzelnen Phasen der romantischen Literatur. Auf ihrem Höhepunkt dienten der Spätromantik das Skurrile, Groteske und Dämonische als Stilmittel. Auch die Schauer- und Kriminalromane nach Art des amerikanischen Schriftstellers Edgar Allen Poe erfreuten sich größter Beliebtheit.
Ihr Ende fand die deutsche Literaturromantik im Jahr der Deutschen Revolution 1848. Ihren Einfluss findet man jedoch auch in einigen Werken der Moderne, zum Beispiel bei Thomas Mann.
(Erstveröffentlichung 2007. Letzte Aktualisierung 04.12.2019)