Das Bürgertum will Gemälde
Für Künstler war die Republik Niederlande im 17. Jahrhundert ein ideales Pflaster, war sie doch kulturell und religiös der freieste Staat in Europa. Religiöse Themen, die bis dahin die Malerei dominierten, waren beim Bürgertum nicht sonderlich gefragt. Deshalb wandten sich die Maler verstärkt weltlichen Themen zu.
So bildete sich eine Reihe eigenständiger Genres heraus, die allerdings nicht vollkommen neu, sondern in älteren Bildern bereits im Ansatz vorhanden waren.
Die holländische Porträtkunst etwa war lange einzigartig in Europa, weil sie die Dargestellten nicht nur oberflächlich erfasste, sondern der Künstler diese in ihrer Ganzheit durchdrang – allen voran Rembrandt. Er beherrschte die Abbildung aller Stimmungslagen von überschäumender Freude bis hin zu Melancholie und Resignation, verzichtete auf jegliche Idealisierung und schloss – im Gegensatz zu seinen Zeitgenossen – das Hässliche nicht aus. So erhielten seine Porträts einen sehr modernen Zug.
Rembrandt – ein Kind reicher Eltern
Geboren wird Rembrandt als Rembrandt Harmenszoon van Rijn am 15. Juli 1606 in Leiden. Seine Eltern sind wohlhabende Bürger. "Rembrandt" ist ein sehr seltener Vorname – so selten, dass es sich der junge Maler später leisten kann, seine Bilder allein damit zu signieren, ohne dass die Gefahr einer Verwechslung besteht.
Die Eltern haben mit ihrem zweitjüngsten Kind schon früh Großes im Sinn: Im Gegensatz zu seinen Brüdern, die sie alle ein Handwerk erlernen lassen, schicken sie Rembrandt als Siebenjährigen auf eine calvinistische Lateinschule und anschließend auf die Universität Leiden.
Doch Rembrandt hat nur Malen und Zeichnen im Sinn. Als seine Eltern dies merken, nehmen sie ihn von der Universität und ermöglichen ihm eine Lehre bei dem Maler Jakob van Swanenburgh. Bei ihm lernt er vor allem die technischen Grundlagen der Malkunst.
Rembrandts eigentlicher Lehrmeister wird jedoch der Amsterdamer Historienmaler Pieter Lastman, zu dem er nach der Lehre auf Wunsch seines Vaters geht.
Spiel mit Hell und Dunkel
Als 18-Jähriger kehrt Rembrandt im Jahr 1624 nach Leiden zurück. Zu dieser Zeit malt er mit starken Farbkontrasten. Doch schon bald entwickelt sich sein Stil weiter: Rembrandt spielt von nun an intensiv mit dem Gegensatz von Hell und Dunkel und konzentriert sich auf das Wesentliche.
Er entdeckt den Innenraum, den Maler bis dahin gemieden haben, um Szenen darzustellen. Die Geschichten des Alten und Neuen Testaments faszinieren ihn, er möchte sie in seinen Bildern erzählen.
Schon mit 22 Jahren ist Rembrandt ein bekannter Maler. 1630 geht er nach Amsterdam und kommt zur rechten Zeit: Dort fehlt es gerade an Künstlern mit eigenständigem Stil. Den hat Rembrandt, dem es gelingt, die Porträt-Kunst weiterzuentwickeln und so zum Vorbild vieler Künstler zu werden. Sein Atelier sieht er als Akademie für den Nachwuchs, dem er viel Zeit widmet.
1633 lernt Rembrandt seine Frau Saskia von Uylenburgh kennen und heiratet sie ein Jahr später. In den folgenden Jahren porträtiert er sie häufig.
Die "Nachtwache" – ein irreführender Titel
1642 malt Rembrandt sein heute berühmtestes Bild, das die Gilde der Clovenierer, der Büchsenschützen, beim Befehl zum Abmarsch zeigt. Der Titel "Nachtwache" wird dem Bild Ende des 18. Jahrhunderts gegeben, nachdem einige Farbschichten nachgedunkelt sind und es wie eine Nachtszene erscheint. Jedoch wird der Titel dem Inhalt des Bildes nicht gerecht. Als Rembrandts Frau Saskia 1642 stirbt, stürzt ihn dies in eine tiefe Schaffenskrise.
In den folgenden Jahren produziert er wesentlich weniger als zuvor, gibt aber weiterhin großzügig Geld aus – und gerät deshalb in große finanzielle Schwierigkeiten.
Der negative Höhepunkt: endgültiger Konkurs Mitte der 1650er-Jahre, Versteigerung seiner umfassenden Kunstsammlung im Dezember 1657. Rembrandt muss seine Wohnung räumen und wohnt die letzten zehn Jahre seines Lebens im sozial schwachen Viertel Jordan. Im Alter von 63 Jahren stirbt er am 4. Oktober 1669.
Der Mythos Vermeer
Auch Jan Vermeer hat Zeit seines Lebens finanzielle Schwierigkeiten – jedoch aus einem völlig anderen Grund: Während Rembrandt viele Aufträge erhielt, viel produzierte und durchaus beträchtliche Summen einnahm, arbeitete Vermeer fast nie nach Aufträgen und schuf in seinem Leben nur relativ wenige Bilder. So werden ihm heute 37 Werke zugeschrieben.
Geboren wird Vermeer als Sohn eines protestantischen Seidenwebers und Kunsthändlers am 31. Oktober 1632 in Delft. Sein Taufname ist Johannes.
Es gibt nur wenige historisch gesicherte Quellen über sein Leben. Die Tatsache, dass er sich nie mit seiner Identität als Künstler auseinandergesetzt und keinerlei Selbstbildnisse geschaffen hat, verstärkt den Mythos um seine Person und seine Kunst.
Sicher ist: Am 29. Dezember 1653 lässt sich Vermeer in der Lukasgilde als ausgebildeter Künstler eintragen. Um dort aufgenommen zu werden, muss man eine sechsjährige Lehrzeit bei einem Maler nachweisen. Doch Details über eine Lehre sind nicht bekannt.
Vermeers Kunst: intensiv und detailreich
In Delft ist Vermeer als Künstler bald bekannt und geschätzt. 1662 wird er Vorsteher der Lukasgilde. Und obwohl sehr wahrscheinlich keines seiner Bilder je außerhalb seiner Heimatstadt zu sehen ist, wird Vermeer auch über die Grenzen von Delft hinaus hoch angesehen: So wird er als Gutachter zur Beurteilung italienischer Gemälde 1672 nach Den Haag gerufen.
Vermeer arbeitet im Vergleich mit seinen Zeitgenossen sehr ungewöhnlich – nämlich fast ohne Aufträge sowie lange und intensiv an jedem einzelnen Bild. Mit dem Ergebnis, dass seine wirtschaftliche Situation in den Jahren vor seinem Tod extrem schwierig wird, da er weder Käufer für seine Bilder findet noch für die Gemälde anderer Künstler, die er als Händler vertreibt.
Als Vermeer 1675 stirbt, hinterlässt er seiner Frau und mindestens zehn minderjährigen Kindern hohe Schulden.
Aussteigen aus der Gegenwart
Die meisten Gemälde Vermeers zeigen Räume, in denen sich eine oder mehrere Personen aufhalten und beispielsweise musizieren, Wein trinken oder einer häuslichen Beschäftigung nachgehen. Das Besondere an diesen Gemälden ist nicht das jeweilige Thema, sondern die künstlerische Umsetzung: Jedes Gemälde ist eine in sich ruhende Komposition, die Szenen werden von nichts gestört.
Darüber hinaus war Vermeer malerisch sehr erfinderisch und präzise bis ins Detail. Er war von dem, was er tat, absolut überzeugt und nahm dafür eben auch finanzielle Schwierigkeiten in Kauf.
Vermeers Werk ist durch seinen künstlerischen Blick auf Dinge geprägt. Niemand schuf in dieser Zeit so dichte Gemälde. Die Kunsthistorikerin Irene Netta nennt Vermeers Arbeitsweise "Aussteigen aus der Gegenwart".
(Erstveröffentlichung: 2008. Letzte Aktualisierung: 12.06.2020)