Japan
Geishas
Geishas gehören zur japanischen Kultur wie Kirschblüten, Kois und Kimonos. Mit weiß geschminkten Gesichtern und prächtigen Gewändern regen sie die Fantasie der Menschen an. Doch auch wenn es im Westen oft anders verstanden wird: Geishas sind keine Prostituierten.
Von Andrea Böhnke, Alfried Schmitz
Beruf mit Tradition
Den Beruf der Geisha gibt es seit Mitte des 18. Jahrhunderts. Damals arbeiteten die Frauen in den Teehäusern der Rotlichtbezirke vieler japanischer Städte. Ihre Aufgabe war es, die männlichen Gäste mit kurzweiligen Gesprächen, Liedern oder kleinen Kunststücken zu unterhalten. Davon leitet sich auch der Begriff Geisha ab, was so viel heißt wie "eine Person, die in der Kunst bewandert ist".
Für die Prostitution waren streng genommen die Kurtisanen zuständig, aber es kam zunächst auch oft vor, dass die Geishas den Gästen ihren Körper gegen Geld anboten. Ihr Ansehen in der japanischen Gesellschaft war zu jener Zeit dementsprechend gering.
Um dieses zwielichtige Berufsfeld besser in den behördlichen Griff zu bekommen, wurde Mitte des 19. Jahrhunderts eine offizielle Trennung vorgenommen zwischen Prostituierten und den höher gestellten Unterhaltungsdamen, den Geishas. Diese verdienten zwar neben ihrer Hauptbeschäftigung als Gesellschaftsdamen immer noch auch mit käuflicher Liebe ihr Geld, konnten sich ihre Freier jedoch aussuchen. Dieses Recht stand den einfachen Prostituierten nicht zu.
Geishas waren mit dieser Statusänderung salonfähig geworden und genossen bei Prominenz und Politik hohes Ansehen. Zwischen 1868 und 1912 wurden zwölf Ehen zwischen hochrangigen Politikern und ehemaligen Geishas geschlossen. Bis heute sind die Geishas in Japan in der Gesellschaft anerkannt und gehören zur Tradition und Kultur des Landes.
Schminken nach festen Regeln
Strenge Erziehung, harte Ausbildung
Um eine richtige Geisha zu werden, müssen die jungen japanischen Frauen, die sich für diesen traditionsreichen Beruf entschieden haben, eine lange und harte Lehrzeit überstehen, die schon im Alter von etwa zwölf Jahren beginnt. In der Zeit der Ausbildung werden die angehenden Geishas "Tanzmädchen" (Maiko) genannt. Um ihre späteren vielseitigen Aufgaben als Unterhaltungsdamen bewältigen zu können, ist der Lehrplan sehr umfangreich.
Die angehenden Geishas werden in der Kunst der Gesprächsführung geschult und mit der Kultur, der Geschichte, den Sitten sowie den Gebräuchen ihrer Heimat vertraut gemacht. Außerdem lernen sie klassische traditionelle Tänze und Lieder sowie das Spielen der Shamisen – eines Saiteninstruments, das der Laute ähnlich ist. Die Maikos werden auch in die Kunst eingeführt, den Kimono zu binden, ihre Gesichter auf traditionelle Weise zu schminken und ihre Haare zu kunstvollen Frisuren zu stecken.
Geishas zwischen gestern und heute
Das Leben und Arbeiten einer Geisha folgt heute – wie vor mehr als hundert Jahren – immer noch strengen Gesetzen und Riten. So wohnen die Frauen in speziellen Geisha-Häusern, die wiederum in eigenen Stadtteilen liegen, den sogenannten Blumenvierteln (Hana-Machi). In diesen Bezirken haben sich oft auch Kimonoschneider, Tanzlehrer und Musiklehrer niedergelassen. Es gibt dort viele Spezialgeschäfte, die besondere Artikel für Maikos und Geishas anbieten, zum Beispiel Schuhe, Haarschmuck, Fächer oder Regenschirme aus Ölpapier.
Die meisten Blumenviertel gibt es noch in der alten Kaiserstadt Kyoto. Zu den fünf Geisha-Vierteln Kyotos gehört auch Gion, das wohl bekannteste und renommierteste. In Gion nennen sich die Geishas "Geikos", was so viel heißt wie "Frauen der Kunst". Gemeinsam mit den Maikos führen sie in jedem Frühling im Theater von Gion ihre Kirschblütentänze auf, die zu einem besonderen Kulturereignis geworden sind.
Wünscht ein Kunde die Gesellschaft einer Geisha, wendet er sich an eine offizielle Geisha-Vermittlung, bei denen die japanischen Unterhaltungsdamen registriert sind. Die Geishas von heute arbeiten in traditionellen Teehäusern und werden von wohlhabenden Kunden für Geschäftsbankette und ausgefallene Partys engagiert. Bezahlt werden sie nach einem festgelegten Stundentarif. Ihren Lohn nennt man sehr poetisch Blumengeld (Hanadai). Darüber hinaus ist es aber auch üblich, die Geishas für ihre Dienste mit einem stattlichen Trinkgeld zu belohnen.
Geishas sind japanische Tradition
Ende einer langen Tradition?
Der Beruf der Geisha hat heute mit großen Nachwuchsproblemen zu kämpfen. Gab es in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts noch mehr als 70.000 offiziell registrierte Geishas, so sind es inzwischen nur noch einige hundert. Sie leben wie in einer anderen, längst vergangenen Zeit und Welt. Nur wenige junge Japanerinnen möchten sich der langwierigen und schwierigen Lehrzeit einer Maiko unterziehen.
Hinzu kommt, dass der Beruf der Geisha das Privatleben stark einschränkt: Die Frauen arbeiten bis zu 15 Stunden am Tag – Zeiten zum Üben der Instrumente und Tänze eingerechnet. Wenn sie heiraten und eine Familie gründen, müssen sie ihre Tätigkeit in der Regel aufgeben. Dank der allgemein verbesserten Ausbildungsstandards und Berufschancen für Frauen in Japan gibt es neben dem Geishaberuf für junge Japanerinnen heute zahlreiche andere, attraktivere Möglichkeiten, Karriere zu machen. Sei es in der Industrie, Bankwirtschaft oder im Handel.
Wegen des akuten Nachwuchsmangels werden neue Geishas inzwischen auch über Anzeigen und das Internet angeworben.
Die lange und gründliche Ausbildung wird bei dieser neuen Methode allerdings vernachlässigt und so arbeiten heutzutage viele Frauen als Geisha, die nie eine Ausbildung im klassischen Sinne genossen haben.
Die Tradition befindet sich im Umbruch
(Erstveröffentlichung 2004. Letzte Aktualisierung 17.09.2021)
Quelle: WDR