Karl der Große entdeckte die heißen Quellen
Eine Legende erzählt, dass sich der Frankenkönig Karl der Große um das Jahr 789 in der Aachener Umgebung auf Jagd befand, inmitten überwucherter antiker Überreste aus römischer Zeit.
Als Karl einem besonders schönen Hirsch nachstellte, versank das Pferd des Herrschers plötzlich im Morast. Karl stieg ab, um dem Tier zu helfen. Er bemerkte, dass das moorige Wasser heiß war, das Erdreich gluckerte und dampfte. Dabei stieg ein strenger Geruch auf, ähnlich wie der von faulen Eiern: Karl war auf die heißen schwefelhaltigen Aachener Quellen gestoßen.
Als er feststellte, wie gut seinem schmerzenden Körper das Bad darin tat, entschied der Kaiser, an Ort und Stelle seine Hauptresidenz zu errichten.
Stadtgründung wegen heißer Quellen
Dass in dieser Legende ein beträchtliches Körnchen Wahrheit liegt, wird anhand der historischen Quellen deutlich. So belegt die lateinische "Vita Karoli Magni", die vom Hofbiografen Einhardt verfasste Biografie "Leben Karls des Großen", dass Karl die Pfalz Aachen aufgrund der heißen Thermalquellen errichtete:
"Karl liebte die Dämpfe heißer Naturquellen und schwamm sehr viel und so gut, dass es niemand mit ihm aufnehmen konnte. Darum baute er einen Palast in Aachen und verbrachte seine letzten Lebensjahre ununterbrochen bis zu seinem Tode dort.
Er lud nicht nur seine Söhne, sondern auch Adelige und Freunde, manchmal sogar sein Gefolge und seine Leibwache zum Baden ein. Oft badeten mehr als hundert Leute mit ihm."
Schon die Römer badeten in Aachen
Karl der Große war nicht der Erste, der die Nähe der heilenden Quellen suchte. "Gesund durch Wasser" ("sanus per aquam") war ein Leitspruch der Römer, die schon lange vor Karl in Aachen siedelten und dort komplexe Thermalanlagen errichteten.
Sie nannten ihre Siedlung "Aquae Granni", zu deutsch etwa "Gewässer des Granus" – in Anlehnung an den keltischen Wassergott Granus, den die dort lebenden Kelten angebetet hatten.
Zerstörung und Wiederaufbau
Seinen neuzeitlichen Aufstieg als Kur- und Badeort ersten Ranges verdankte Aachen allerdings einer Katastrophe, die fast den gesamten mittelalterlichen Stadtkern zerstörte. 1656 brach in einer Bäckerei ein Feuer aus, das innerhalb von 20 Stunden fast 90 Prozent der Häuser zerstörte.
In den folgenden Jahren nach dem Brand wurde die Stadt unter der Federführung des belgischen Badearztes François Blondel zu einem der führenden Bäder Europas ausgebaut. Blondel machte eine Trinkkur aus den Aachener Heilquellen bekannt, zusätzlich wurden die Kuranlagen um Casinos und Ballsäle erweitert.
Die europäische Prominenz – darunter Zar Peter der Große, König Friedrich der Große und Georg Friedrich Händel – weilte oft wochenlang in Aachen.
Unter Napoleon Bonaparte wurden die Kur- und Badeanlagen weiter ausgebaut. Napoleon ließ die alten Stadtmauern abreißen und breite Promenaden anlegen. Seine Gattin, Kaiserin Joséphine, kurte zwei Monate lang in den neu gebauten Anlagen. Sogar seinen Sohn ließ der französische Herrscher 1811 in der Kurstadt taufen.
Ein Kurort ohne "Bad" im Namen
Bis heute ist Bad Aachen ein bekannter und gut besuchter Kurort. Mit ihrem hohen Anteil an Mineral- und Spurenelementen sowie Temperaturen bis zu 74 Grad Celsius gehören die Quellen zu den bekanntesten und heißesten Thermalwässern Mitteleuropas. Noch immer suchen Menschen hier Erholung und Linderung und kuren sich gesund.
Die offizielle Bezeichnung der heißen Aachener Quellen mit dem strengen Geruch lautet "schwefelhaltige fluoridhaltige Natriumchlorid-Hydrogenkarbonat-Therme".
Und eigentlich dürfte sich die Stadt als staatlich anerkannter Kurort Bad Aachen nennen. Dass sie dies nicht tut, hat einen einfachen Grund: Durch den Zusatz Bad würde Aachen nicht mehr an alphabetisch erster Stelle aller deutschen Städte gelistet.
(Erstveröffentlichung 2004. Letzte Aktualisierung 14.08.2018)