Die vier Phasen der Trauer
01:49 Min.. Verfügbar bis 03.11.2026.
Tod und Trauer
Trauer
Wir müssen alle sterben. Der Mensch entgeht weder dem Tod noch der Trauer. Für unsere Vorfahren war der Tod noch ein großes Rätsel, das zahlreiche Mythen hervorbrachte. Heute ist weitgehend geklärt, was beim Sterben und Trauern im Körper vorgeht und warum das Leben endet.
Von Beate Krol
Trauerreaktionen
Die meisten Menschen fürchten die Trauer. Zu Recht: Wenn ein Mensch jemanden verloren hat, befindet er sich eine Zeit lang im Ausnahmezustand. Der Trauernde zieht sich in sich zurück, bewegt sich weniger und reagiert kaum auf positive Reize, wie beispielsweise ein Lächeln oder einen Witz.
Viele Menschen weinen; manche sind so verzweifelt, dass sie das Gefühl haben, nicht mehr weiterleben zu können. Weil der Körper nach dem Verlust eines geliebten Menschen eine große Menge Stresshormone ausschüttet, ist bei Trauernden zudem das Immunsystem geschwächt. Das wiederum führt dazu, dass die Sterberate bei Trauernden leicht erhöht ist.
Trauerverlauf
Menschen trauern unterschiedlich. Manche begreifen sofort, dass der geliebte Mensch tot ist, andere brauchen dafür länger. Auch wie intensiv die Trauer ist und wie lange sie dauert, unterscheidet sich stark. Bei manchen Menschen fällt die Trauer milde aus, andere erleben sie als sehr schmerzvoll und langwierig.
Dabei spielt es auch eine Rolle, ob jemand unerwartet oder sehr jung gestorben ist. Ein Kind oder einen noch jungen Partner zu verlieren, führt meist zu einer längeren und schmerzhafteren Trauer als der Verlust eines alt gewordenen Elternteils.
Ein Kind zu verlieren ist besonders schmerzhaft
Umgang mit Trauernden
Die meisten Menschen nehmen sich vor, zu einem Angehörigen oder Freund zu stehen, wenn er trauert. Oft ist das jedoch schwerer als gedacht. Aus Studien weiß man, dass eine tiefe Traurigkeit innerhalb von wenigen Minuten abfärbt. Die meisten Menschen wenden sich daher von traurigen Menschen schnell ab oder wünschen sich, dass die Trauer schnell vorbeigeht.
Gleichzeitig sind viele im Umgang mit Trauernden unsicher. Soll man eine trauernde Freundin, einen trauernden Kollegen in Ruhe lassen oder ihn von seiner Trauer ablenken? Trauerberater empfehlen, die Trauernden zu fragen, was ihnen gut tun würde – und sich dann auch daran zu halten. Um herauszufinden, wie es dem Hinterbliebenen geht, eignet sich die Frage: "Wie war dein Tag?" beziehungsweise "Wie war deine Woche?"
Trauer kann unterschiedlich verarbeitet werden
Trauerschmerz
Viele Menschen erleben den Trauerschmerz als ein überwältigendes und oft irrationales Gefühl, dem sie wehrlos ausgeliefert sind. Sie weinen, wüten und wollen nicht wahrhaben, was sie eigentlich wissen. Psychologen vermuten, dass Menschen bei der Trauer auf ihre früheste Lebensphase zurückgeworfen werden.
Denn auch Säuglinge weinen und schreien, wenn sie sich verlassen fühlen. Wissenschaftlich bewiesen ist die sogenannte überschießende Bindungsreaktion allerdings nicht. Wie intensiv der Trauerschmerz ist und wie lange er anhält, ist ebenfalls individuell verschieden.
Psychologischen Langzeitstudien zufolge fällt bei etwa 40 Prozent der Hinterbliebenen die Trauer eher milde aus. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Beziehung zu dem verstorbenen Menschen gut oder schlecht war. Vielmehr zeichnen sich Menschen mit milden Trauerreaktionen dadurch aus, dass sie generell gut mit Veränderungen und Stress umgehen können.
Außerdem verfügen sie über ein größeres Verhaltensrepertoire. Dazu gehört, dass sie Gefühle unterdrücken und für sich behalten können, wenn es die Situation verlangt. Auch sind sie offenbar eher in der Lage, den Blick auch auf das Positive zu richten. Ein Satz wie "Ich hätte nie gedacht, dass ich so stark sein kann" ist für sogenannte resilient Trauernde typisch.
Gefährliche Trauermythen
Trauermythen sind vermeintliche Wahrheiten zur Trauer. Sie besagen beispielsweise, dass Menschen den erlittenen Verlust in Phasen durcharbeiten müssen oder unbedingt ihrem Schmerz Ausdruck geben müssen. Bekannt ist auch die Aufforderung, die Trauer herauszulassen und nicht zu verdrängen.
Die Trauermythen sind vermutlich deshalb entstanden, weil es lange Zeit kaum repräsentative Studien zur Trauer gab. Auch die allererste Trauertheorie von Sigmund Freud ist von seinen Nachfolgern nie wissenschaftlich überprüft worden. Die empirische Trauerforschung kämpft gegen die Trauermythen an, weil sie trauernde Menschen verunsichern und unter Druck setzen und den natürlichen Trauerprozess behindern können.
(Erstveröffentlichung 2005. Letzte Aktualisierung 21.06.2019)
Quelle: SWR