Faust aus Bildschirm

Gewalt

Woher kommt der Hass im Netz?

Feindseligkeiten gibt es nicht erst seit dem Internet. Schon lange beschäftigen sich Forscherinnen und Forscher mit Gewalt, Konflikten und abwertenden Einstellungen in der Gesellschaft und damit, was sie mit uns machen.

Von Julia Fritzsche

Abwertende Einstellungen

Der Sozialpsychologe Andreas Zick bekommt aufgrund seiner kritischen Forschung regelmäßig Hass zu spüren, aus dem Netz via E-Mail, aber auch per Telefon. Sogar seine Mutter wurde schon angerufen:

"Dann fragte eine Person: 'Kennen Sie Andreas Zick? Das tut uns Leid, er ist zum Tode verurteilt worden.' Und da merkt man: Neben dem, was im Netz ist, überträgt sich das zum Teil auch in die Realität." Andreas Zick, Sozialpsychologe

Alle zwei Jahre untersucht Andreas Zick abwertende Einstellungen in der deutschen Gesellschaft. Sein Fazit: Der Hass wird im Netz sichtbar, steckt aber in den Köpfen der Menschen – und das schon lange.

Ergebnisse der Studie von 2014 zu abwertenden Einstellungen

  • 37 Prozent der Befragten sagen: "In Deutschland leben zu viele Ausländer."
  • 17 Prozent finden: "Frauen sollen sich wieder mehr auf die Rolle der Ehefrau und Mutter besinnen."
  • 15 Prozent befürworten: "Juden haben in Deutschland zu viel Einfluss."
  • 18 Prozent sagen: "Muslime sollen nicht nach Deutschland einwandern dürfen."
  • 20 Prozent finden es "ekelhaft, wenn Homosexuelle sich in der Öffentlichkeit küssen".

Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit

Was Andreas Zick hier untersucht, ist die sogenannte "gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit". Ein Verhalten, das den Grundideen unserer Demokratie widerspricht: Unser Grundgesetz geht von der grundsätzlichen Gleichwertigkeit aller Menschen aus. Das zeigt sich schon im Artikel eins: "Die Würde des Menschen ist unantastbar". Das gilt für alle Menschen – egal, ob deutsche Staatsbürger, Ausländer, Flüchtling, Mann oder Frau.

Mit dem Begriff "gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit" bezeichnen die Forscherinnen und Forscher ein Verhalten, das Menschen diskriminiert oder mit Vorurteilen belastet, weil sie zu einer bestimmten Gruppe innerhalb der Gesellschaft gehören. Diese Gruppe wird in ihrer Gesamtheit abgewertet und auch jeder und jede Einzelne, der beziehungsweise die dazu gezählt werden.

Sind alle gleich viel wert?

Meist zeigt sich das in Ausländerfeindlichkeit oder Rassismus, aber auch in Abwertung aufgrund der Religion, zum Beispiel bei der Diskriminierung von Muslimen oder Juden.

Der Grundgedanke der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit lautet: Es gibt unterschiedlich wertvolle Gruppen innerhalb einer Gesellschaft. Die Menschen sind also nicht gleichwertig und haben nicht alle dieselben Rechte. Übrigens zieht sich diese Ansicht durch alle sozialen Schichten und hat nur wenig mit dem Bildungsstand zu tun.

Folgen dieser Menschenfeindlichkeit sind einerseits die soziale Erniedrigung der anderen, aber auch ein Gefühl der moralischen Überlegenheit der eigenen Gruppe: Homosexuelle werden zum Beispiel als "widernatürlich" und "unmoralisch" bezeichnet; Menschen mit anderer Hautfarbe als "biologisch minderwertig"; Obdachlose oder Arbeitslose als "gesellschaftlich nutzlos".

Hass findet sich überall

Ursache für dieses Verhalten ist meist ein Mangel an Selbstwertgefühl und die Angst, dass andere einem etwas wegnehmen. Andere Gruppen abzuwerten, hilft, die eigene Gruppe aufzuwerten, sagt Andreas Zick. Es geht um Machterhalt – und um ein „Wir“ gegen "Die".

Ist der Gedanke der Ungleichheit erst gesät, läuft der Hass nach einem bestimmten Muster ab:

  1. Kategorisierung: Menschen werden in Gruppen eingeteilt, zum Beispiel in Flüchtlinge, Frauen und so fort.
  2. Stereotypisierung: Diesen Gruppen werden Merkmale zugeschrieben – "Die sind so…"
  3. Vorurteile: Die Merkmale werden nicht mehr hinterfragt, sie werden zu Vorurteilen gegenüber der jeweiligen Gruppe und gegenüber allen vermeintlichen Mitgliedern dieser Gruppe.
  4. Diskriminierung: Die Gruppe und alle Menschen, die zu der Gruppe zählen, werden abgewertet; dadurch wird die eigene Gruppe aufgewertet.
  5. Vernichtung und Dehumanisierung: Die anderen werden zum Beispiel als "Schädlinge" oder "Insekten" bezeichnet, die es zu vernichten gilt.

Gespräch ohne Gesicht

Besonders problematisch werden solche Muster im Internet. Hier posten viele anonym und trauen sich auch deshalb, offen zu hetzen. Dazu kommt: Mimik, Gestik und Körperhaltung des Gegenübers sind im Netz nicht zu erkennen. Man erkennt nicht, wie der Gegenüber das findet, was über ihn geschrieben wird. Diese fehlende Resonanz kann hemmungsloser machen.

Filterblase und Echokammer

Im Netz wie im realen Leben folgen wir eher den Menschen, die eine ähnliche Meinung vertreten wie wir selbst. Das ist der sogenannte "Echokammer-Effekt". Dazu kommt, dass Soziale Medien uns vorwiegend Inhalte vorsetzen, die uns auch interessieren könnten, die also unserer bereits bestehenden Meinung entsprechen – der Echokammer-Effekt wird dadurch noch verstärkt.

Die Folge: Diskriminierende Meinungen ecken immer weniger an, man bekommt keine regulierende Gegenreaktionen auf seine Posts. In der Filterblase können sich so Meinungen, egal ob über Politik oder Musik, gegenseitig hochschaukeln und radikalisieren.

Quelle: BR | Stand: 05.12.2019, 11:20 Uhr

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