Kopf einer Buddha-Figur mir chinesischen Schriftzeichen, Akupunktur-Kopf

Medizin

Traditionelle Chinesische Medizin

Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) ist weit mehr als nur Akupunktur: Sie umfasst ein ganzheitliches Heilkundesystem, das sich mittlerweile auch in den westlichen Ländern einer enormen Beliebtheit erfreut.

Von Thomas Schwarz

Geschichte der chinesischen Medizin

Die Ursprünge der alten chinesischen Medizin liegen weit zurück: Einige Experten gehen davon aus, dass sie in China vor mehr als 2000 Jahren entstanden ist, andere gehen noch weiter zurück und sprechen sogar von mehr als 6000 Jahren.

Im Laufe der Zeit wurde das Heilkundesystem immer weiter entwickelt, wenn auch mit unterschiedlichem Erfolg. Mitte des 19. Jahrhunderts, als die westliche Medizin durch die Entwicklung von Wissenschaft und Technik viel beachtete Erfolge hervorbrachte, wurden die alten Lehren in den Hintergrund gedrängt und schließlich fast ausgelöscht.

Etwa hundert Jahre später erwachte das Interesse an der alten Medizin erneut, als klar wurde, dass die westliche Medizin trotz ihres Fortschritts Grenzen hat. Zudem hatten Mao und die Kommunisten in China die Macht ergriffen und angeordnet, dass die chinesische Heilkunst als nationales Eigenwerk erforscht und verbessert werden sollte.

Erst jetzt entstand die Strömung der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM), die heute auch im Westen viele Anhänger hat und weit verbreitet ist. Daher ist die TCM – trotz ihres Namens – deutlich jünger als oft vermutet wird und begann ihren Siegeszug erst in den 1950ern.

Mit der politischen Öffnung Chinas und den Erleichterungen für Reisende in den 1970er-Jahren erlebte die fernöstliche Heilkunst, darunter vor allem die Akupunktur, einen regelrechten Boom. Im Lehrbuch "Klinische Chinesische Pharmakologie" beschrieb Manfred Porkert im Jahr 1978 zum ersten Mal die Wirkung chinesischer Arzneien in einer westlichen Sprache.

Eine Moxibustion-Behandlung

Ganzheitliches System mit langer Tradition

Lebensenergie fließt durch den Körper

Während sich die westliche Medizin an den Naturwissenschaften orientiert und auf den menschlichen Körper bezieht, ist die TCM eine funktionale Wissenschaft. Bei ihr stehen die Lebensfunktionen, die energetische Harmonie und die Gesamtheit des Menschen im Vordergrund.

Das energetische Potenzial, also der harmonische Fluss der Lebensenergie, die durch den menschlichen Körper wie ein Fluss durch eine Landschaft fließt, wird als "Qi" (sprich: Tschi) bezeichnet. Dabei fließt dieses Qi auf definierten Bahnen – den Leitbahnen oder sogenannten Meridianen – durch den Körper und versorgt die Funktionskreise, also die Organe.

Auf die Organe bezogen sprechen die Ärzte in der Chinesischen Medizin zum Beispiel auch vom "Lungen-Qi" oder vom "Leber-Qi". Wird das Qi gestört, kann es zu Beschwerden und Krankheiten kommen.

Keine chinesische Behandlung ohne chinesische Diagnose

Ähnlich wie in der westlichen Medizin geht auch in der Traditionellen Chinesischen Medizin jeder Behandlung eine entsprechende Diagnose voraus. Daran ist unter anderem auch der seriöse Anwender der fernöstlichen Heilkunde zu erkennen. Die Chinesische Diagnostik stützt sich im Wesentlichen auf vier Verfahren:

Chinesische Diagnose

  • Die Befragung: Ähnlich wie bei der Erhebung der Krankengeschichte (Anamnese) in der westlichen Medizin wird der Patient zu seinen Beschwerden und zum Allgemeinbefinden wie Schlaf, Appetit, Durst und Ausscheidungen befragt.
  • Die Pulsdiagnostik: Dabei wird der Puls auf seine Qualität untersucht. In der Traditionellen Chinesischen Medizin sind mehr als 30 verschiedene Pulsqualitäten bekannt, zum Beispiel oberflächlich, tief, schlüpfrig oder gespannt wie eine Gitarrensaite.
  • Die Zungendiagnostik: Die Zunge gilt in der Traditionellen Chinesischen Medizin als Spiegel des energetischen Zustands. Sie wird nach Farbe, Form, Strukturen und Belag beurteilt. Zudem sind einige Regionen auf der Zunge inneren Organen zugeordnet.
  • Klang- und Geruchsdiagnostik: Dabei werden Klang der Stimme und Geruch des Patienten beurteilt.

Anschließend werden alle Ergebnisse der vier Verfahren zu einer sogenannten Chinesischen Diagnose geordnet. Dadurch wird deutlich, welche funktionellen Störungen und energetischen Entgleisungen vorliegen, die den harmonischen Fluss der Lebensenergie – also das Qi – stören und die Beschwerden oder die Krankheit verursachen.

Auf einer alten Zeichnung aus dem 17. Jahrhundert fühlt ein chinesischer Arzt den Puls eines Kranken

Die Pulsdiagnostik wird seit Jahrhunderten praktiziert

Die fünf Säulen der TCM

Zur Behandlung von Beschwerden und Krankheiten gibt es in der Traditionellen Chinesischen Medizin verschiedene Verfahren, die auch als die "fünf therapeutischen Säulen" bezeichnet werden:

Die fünf Säulen der TCM

  • die Akupunktur, die wohl bekannteste und am verbreiteste TCM-Behandlungsmethode
  • die Chinesische Arzneimitteltherapie
  • die Diätetik beziehungsweise Ernährungslehre
  • die Bewegungstherapien Qigong und Tai Ji
  • die Chinesische Manuelle Therapie Tunia

Diese Verfahren eignen sich besonders zur Behandlung funktioneller und chronischer Erkrankungen wie Gelenk- und Rückenschmerzen, Ohrgeräuschen (Tinnitus), Allergien, Asthma und chronisch-entzündlicher Darmkrankheiten. Sie wirken aber auch bei akuten Erkrankungen wie Kopfschmerzen, Migräne und viralen Infekten.

Da sie schmerzlindernd sind, lässt sich häufig die Dosis herkömmlicher Schmerzmittel senken. Die Chinesischen Therapieverfahren sind daher eine gute Ergänzung zur westlichen Medizin.

Im deutschen Gesundheitswesen ist die Traditionelle Chinesische Medizin mittlerweile weitgehend etabliert. So gibt es Fachgesellschaften, in denen Wissenschaftler, Ärzte und Therapeuten – also Forscher und Anwender der TCM – organisiert sind. Sie bieten zum Beispiel Fort- und Weiterbildungen an und helfen Patienten und Interessierten mit Informationen weiter.

Und die Akupunktur ist zumindest bei chronischen Gelenkschmerzen und Rückenschmerzen Kassenleistung, nachdem wissenschaftliche Studien ihre Wirksamkeit untersucht haben.

Auf dem Ausschnitt einer Abbildung aus der Chinesischen Medizin sind die einzelnen Akupunkturpunkte des menschlichen Gesichtes markiert.

Akupunkturpunkte im Gesicht

(Erstveröffentlichung 2008. Letzte Aktualisierung 25.05.2020)

Quelle: WDR

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