Arthrose

Wie Arthrose entsteht

Jahrzehntelang arbeiten unsere Gelenke perfekt. Sie funktionieren reibungslos, ohne dass wir daran einen Gedanken verschwenden müssen. Doch irgendwann beginnen die Gelenke ihre Beweglichkeit zu verlieren und zu schmerzen.

Von Scarlet Löhrke

Korrektur eines langjährigen Irrtums: Arthrose ist nicht einfach Verschleiß!

Lange Zeit gingen Forscher davon aus, dass die Gelenkknorpel mit der Zeit einfach verschleißen. Aber das ist ein großer Irrtum. Arthrose ist keine unvermeidliche Alterserscheinung, sondern kann jeden beinahe jederzeit treffen. Bei manchen setzt sie früh ein, andere verschont sie gänzlich.

Inzwischen verfolgen Forscher einen anderen Erklärungsansatz: Arthrose ist ein aktiver biologischer Vorgang, bei dem der Knorpel – im Prinzip irrtümlich – vom Körper selbst abgebaut wird.

Der Grundstein für den Knorpelabbau wird bereits in unseren ersten Lebensmonaten gelegt. Was bei vielen Menschen am Ende ihres Lebens geschieht, hat seinen Ursprung somit eigentlich ganz am Anfang des Lebens, sogar noch vor unserer Geburt: im Embryo. Dort läuft eine Art Urprogramm des Körpers ab.

In der Embryonalzeit besteht unser Skelett zunächst ausschließlich aus Knorpelgewebe. Erst nach und nach wird dieses Gewebe zu Knochen umgebaut. Dies ist ein normaler, gesunder Prozess, denn schließlich benötigen wir das stützende Gerüst der Knochen, um bewegungs- und lebensfähig zu sein.

Der Knorpel bleibt nur an einigen Stellen bestehen – an den Gelenken. Hier stoppt das Programm, denn dort dient das Knorpelgewebe als Gleit- und Schutzschicht der Gelenke.

Im Mutterleib werden Knorpel langsam zu Knochen umgebaut | Bildquelle: Mauritius/Ikon Images

Das Knorpelgewebe: Stabilität durch ständige Erneuerung

Die Kombination aus einem stabilen Knochengerüst und einer schmalen Knorpelschicht ermöglicht uns unglaubliche Leistungen. Der Knorpel ist außerordentlich stabil: Er hält Lasten von mehreren hundert Kilo aus und erlaubt dem Gelenk flexible Bewegungen – selbst in extremen Positionen.

Das schafft er durch seinen besonderen Aufbau. Die Knorpelschicht besteht aus einer elastischen Masse aus Wasser, Zuckereiweißen und mehreren Schichten von Kollagenfasern, die eng miteinander verflochten sind.

In drei verschiedenen Lagen sind die Fasern unterschiedlich geschichtet: In der obersten Schicht sind sie horizontal angeordnet, in der mittleren Schicht eher diagonal und ungeordnet, in der untersten Schicht vertikal. Durch diesen speziellen Aufbau ist der Knorpel unter anderem in der Lage, starke Stoßbelastungen und größere Gewichte auszuhalten und abzufangen.

Doch damit dies dauerhaft funktioniert, muss das Knorpelgewebe ständig instand gehalten werden. Das erledigen die Knorpelzellen: Sie sitzen allein oder zu zweit in Hohlräumen dieses Gewebes, erneuern es fortwährend und ersetzen alte Fasern und Eiweißketten durch neue.

Abbau des Knorpelgewebes – das Urprogramm wird reaktiviert

Oft geht das viele Jahre gut. Bis sich schließlich in den Gelenken wieder etwas tut: Die Knorpelzellen selbst beteiligen sich am Abbau der Knorpelsubstanz und beginnen, sie zu zerstören.

Abhängig vom Zusammenspiel verschiedener Faktoren wie Verletzungen, Fehlhaltungen, Übergewicht oder genetischer Veranlagung kann dieser Prozess bei verschiedenen Menschen zu unterschiedlichen Zeitpunkten einsetzen. Dabei starten die Knorpelzellen ihr Urprogramm wieder und bauen – wie damals im Embryo – Knorpel ab.

Einige Knorpelzellen sterben dabei. Andere verwandeln sich in Knochenzellen und bauen so den Knorpel zu Knochen um. Seitlich am Gelenk entstehen knöcherne Ausläufer – sie schränken die Beweglichkeit zusätzlich ein. Das Programm, das uns als Embryo fit fürs Leben gemacht hat, macht uns jetzt steif und unbeweglich.

Bei einer Arthrose bildet sich der Knorpel im Knie zurück | Bildquelle: ddp/Axel Kock