Blinde
Louis Braille – Erfinder der Blindenschrift
Mit nur sechs Punkten veränderte Louis Braille die Welt der blinden und sehbehinderten Menschen. Buchstaben, mathematische Operationen und sogar Noten machte er mit seiner Punktschrift "sichtbar". Die Braille-Schrift gilt heute als weltweiter Standard.
Von Johannes Eberhorn
Stipendium am Pariser Blindeninstitut
Louis Braille wird am 4. Januar 1809 in Coupvray, einem kleinen Dorf in der Nähe von Paris, als Sohn eines Sattlers geboren. Das Interesse für den Beruf seines Vaters kostet ihn im Alter von drei Jahren das Sehvermögen. Bei einem Unfall in der Sattlerwerkstatt stößt er sich ein spitzes Werkzeug ins Auge und erblindet kurz darauf aufgrund einer Infektion völlig.
Als Sohn eines einfachen Handwerkers mit begrenzten Mitteln wäre Braille zu dieser Zeit normalerweise ein ereignisloses und elendes Leben vorherbestimmt gewesen.
Doch der blinde Junge erweist sich als äußerst lernwillig und darf mit sieben Jahren die Schule seines Heimatdorfes besuchen. Drei Jahre später erhält Braille dank seiner Intelligenz ein Stipendium für das Pariser Blindeninstitut, die erste Blindenschule der Welt.
Militärische "Nachtschrift" dient als Vorlage
In der von Valentin Haüy gegründeten Schule lernen die blinden Kinder hauptsächlich, indem sie zuhören und das Gehörte wiederholen. Die Bibliothek des Instituts hat zwar einige Bücher mit erhöhten Buchstaben, die von blinden Menschen ertastet werden können, doch diese Art zu lesen ist äußerst mühsam und zeitaufwändig.
Schon zu dieser Zeit bemüht sich Louis Braille darum, eine bessere Methode zu finden, um blinden Personen das Lesen zu erleichtern. In der Werkstatt seines Vaters versucht er, mit Hilfe von geometrischen Figuren aus Leder, eine Blindenschrift zu entwickeln – allerdings ohne Erfolg.
Den entscheidenden Anstoß erhält Braille 1821, als der Artilleriehauptmann Charles Barbier die Blindenschule besucht. Barbier stellt den Schülern seine "Nachtschrift" vor, die er erfunden hat, um Botschaften wie "vorwärts" oder "Rückzug" lautlos und ohne Licht übermitteln zu können.
Für das Militär ist die "Nachtschrift" mit ihren zwölf Punkten zu kompliziert. Louis Braille inspiriert sie jedoch dazu, seine Blindenschrift zu entwickeln.
Der Schüler wird zum Lehrer
Mit 15 erfindet Braille ein Blindenalphabet, das mit nur sechs Punkten dargestellt werden kann. Auch mathematische Zeichen und Musiknoten werden mit Hilfe der Braille-Schrift für blinde Menschen erfühlbar.
1829 schreibt Braille das Buch "Verfahren, um Wörter, Musik und Kirchengesang zu schreiben mit Hilfe von Punkten, zum Gebrauch der Blinden und für sie zusammengestellt von Louis Braille, Blindenlehrer am Königlichen Institut für junge Blinde in Paris". Den Posten als Lehrer hatte er ein Jahr zuvor erhalten und sogleich damit begonnen, den Schülern seine Punktschrift beizubringen.
Auf eine offizielle Anerkennung seiner Erfindung wartet Braille allerdings zunächst vergeblich. Ein neuer Rektor lässt die Punktschrift zeitweise sogar am Institut verbieten. Er ist der Meinung, dass eine eigens für blinde Personen konzipierte Schrift die Kluft zwischen sehenden und blinden Menschen vergrößert.
Erst im Jahr 1850, zwei Jahre vor Brailles Tod, erkennt die Pädagogische Akademie Frankreich das Sechs-Punkte-Alphabet offiziell an. Den weltweiten Siegeszug seiner Schrift erlebt Braille nicht mehr. Er stirbt am 6. Januar 1852 an einem Lungenleiden in Paris.
Mit den Händen lesen
Späte Anerkennung für Brailles Erfindung
Nach dem Tod ihres Erfinders setzt sich die Braille-Schrift in der ganzen Welt als amtliche Blindenschrift durch. 1878 wird sie auf einem internationalen Kongress in Paris zur offiziellen Methode für den Unterricht in Blindenschulen erklärt.
Bereits zwölf Jahre später bedienen sich Schulen in Österreich, Belgien, Dänemark, England, Deutschland, Spanien und Schottland der Punktschrift. 1949 wird schließlich unter Führung der Vereinten Nationen damit begonnen, die Braille-Schrift auf über 200 Sprachen und Dialekte auf der ganzen Welt zu übertragen.
Nur wenig später kommt auch Louis Braille noch zu seiner verdienten Anerkennung. 1952 wird seine Leiche vom Friedhof seines Heimatdorfes in das Pariser Pantheon verlegt, wo er neben anderen französischen Nationalhelden die letzte Ruhe findet.
Braille-Plan eines Supermarktes für Blinde
(Erstveröffentlichung 2005. Letzte Aktualisierung 04.05.2020)
Quelle: WDR